Buchbesprechung | "Meine Farm in Afrika. Das Leben der Frieda von Bülow"

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Die Begründerin des deutschen Kolonialromans, Frieda von Bülow, ist heute weitgehend vergessen, war aber Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert eine erfolgreiche Autorin. Zudem war sie mit einem der berüchtigtsten deutschen Kolonialisten, Carl Peters, befreundet. Enge Kontakte hatte sie aber auch zu Lou Andreas-Salomé, einer Freundin Friedrich Nietzsches und Rainer Maria Rilkes, und Helene Lange, einer liberale Frauenrechtlerin.

Kerstin Decker: Meine Farm in Afrika. Das Leben der Frieda von Bülow. Berlin: Berlin Verlag im Piper Verlag, 2015. 480 S., 22,99 €

Zwar war Frieda von Bülow nicht die „deutsche Tania Blixen“, wie der Berlin Verlag Kerstin Deckers dokumentarischen Roman bewirbt. Dafür war Bülows literarisches Talent zu gering und sie hatte auch nie Blixens internationale Bedeutung. Aber eine interessante Persönlichkeit zwischen Kolonialismus und Frauenbewegung war sie allemal. Kerstin Decker stützt sich in ihrem biografischen Roman auf Bülows zahlreiche Artikel, vor allem Reiseberichte aus dem damaligen Deutsch-Ostafrika, und ihre zahlreichen Romane, daneben auf Carl Peters Schriften, dessen Leben sie parallel erzählt.

Die verarmte Adlige, die an den geringen Möglichkeiten für Frauen im Deutschen Kaiserreich leidet, gründet 1886 den Deutschnationalen Frauenbund für Krankenpflege in den Kolonien und reist nach Sansibar. Trotz all ihrer Bewunderung für Peters heiratet dieser sie nicht, hält aber bis zu Bülows Tod Kontakt mit ihr. Bülow verteidigt Peters, der unter anderem für die Hinrichtung seiner schwarzen Konkubine und deren Freund im Reichstag von August Bebel (SPD) scharf angegriffen wird.

Decker zeigt erstaunlich viel Verständnis für Peters, den sie als Opfer britischer Fehlinformationen hinstellt. Auch ihre Haltung gegenüber dem Kolonialismus ist fragwürdig: „Es ging nicht lediglich darum, die Grenzen des Deutschen Reiches zu verrücken, sondern zuerst die eigenen.“ (S. 459) Natürlich war der Kolonialismus auch eine Möglichkeit für Abenteurer etwas zu erleben, aber seine historische Bedeutung liegt vor allem darin, bis heute die mittlerweile entkolonialisierten Staaten in ihren Möglichkeiten zu begrenzen. Zudem ging schon damals – auch für Kolonialisten ersichtlich – die Ausdehnung der persönlichen Grenzen von Weißen auf Kosten der schwarzen Bevölkerung.

Frieda von Bülow, die auch von der Sklaverei profitierte, präsentiert die rassistische Haltung, die dem Kolonialismus zugrunde liegt, den Leserinnen einer Frauenzeitschrift so: „Die schwarzen Frauen nehmen eine untergeordnete Stellung ein; das hindert sie jedoch nicht, mutwillig, eitel und heiter zu sein. Zur persönlichen Bedienung werden sie auch von Europäerinnen nicht verwendet, da man sie allgemein für zu unintelligent hält. Natürlich sind sie durchweg fleißiger und tüchtiger als die Männer.“ (S. 430)

Die Stärke des Buches ist die Beschreibung des kolonialen Milieus in Deutsch-Ostafrika im späten 19. Jahrhundert: eine meist angetrunkene weiße Männergesellschaft, die sich mal mehr, mal weniger brutal auslebt und ihre – meist militärischen – Abenteuer für die Ausbreitung des (westlichen) Fortschritts hält. Die wenigen weißen Frauen spielen eine untergeordnete Rolle, haben aber weit größere Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung als in Europa – allerdings auf Kosten der Afrikaner.

Peter Bräunlein, NaturFreunde Ulm