NaturFreunde für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht!

Einstimmiger Beschluss des NaturFreunde-Bundesausschusses vom 16. März 2019 fordert Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen

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Der Bundesausschuss der NaturFreunde begrüßt die vom Bundesvorsitzenden Michael Müller erklärte „Solidarität mit Attac“ nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs, das deren Gemeinnützigkeit in Frage stellt. Die Urteilsgründe sind hochproblematisch, fordern sie doch, dass eine gemeinnützige politische Bildung neutral sein muss.

Die NaturFreunde verstehen politische Bildung wertegebunden und dem Ziel der Nachhaltigkeit, der sozialen Gerechtigkeit, dem Frieden und der Demokratie verpflichtet. Politische Bildung, die konkret auf die Erreichung dieser Ziele ausgerichtet ist, ist gemeinnützig, weil sie dem Gemeinwohl dient.

In enger Zusammenarbeit mit anderen gemeinnützigen Organisationen setzen wir uns für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht ein. Wir unterstützen anlässlich des Urteils des Bundesfinanzhofs in Sachen Attac ausdrücklich die Forderungen der „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“:

  • Der Bundesminister der Finanzen soll die Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen deutlich erhöhen, indem er den Anwendungserlass zur Abgabenordnung dahingehend ändert, dass eine mit einer gemeinnützigen Tätigkeit verbundene politische Tätigkeit generell unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist.
  • Außerdem fordern wir vom Deutschen Bundestag eine Änderung der Abgabenordnung. So soll es künftig ebenfalls gemeinnützig sein, wenn die Tätigkeit einer Organisation darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf demokratischem Gebiet selbstlos zu fördern.
  • Die Liste der in §52 genannten Themen gemeinnütziger Tätigkeit soll erweitert werden um: Förderung der Wahrnehmung und Verwirklichung von Grundrechten, Frieden, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, informationelle Selbstbestimmung, Menschenrechte und Gleichstellung der Geschlechter.

Begründung:

Die Abgabenordnung und der Anwendungserlass sind mehrdeutig. Deshalb haben die Finanz­ämter einen großen Interpretationsspielraum. Für Organisationen ist schlecht vorhersehbar, ob und wann ihre politischen Aktivitäten ihren Status der Gemeinnützigkeit gefährden. Sie sind von den in der Praxis sehr unterschiedlichen Auslegungen ihres lokalen Finanzamtes abhängig.

Diese Unsicherheit wird noch verstärkt, da die Bescheide der Finanzämter nur „unter dem Vorbehalt der Nachprüfung“ ergehen. Ändert sich die Einschätzung im Finanzamt, kann die Gemeinnützigkeit mit Wirkung für die letzten zehn Jahre entzogen werden. Es drohen die Nachversteuerung der Einnahmen und die Spendenhaftung – und damit Nachzahlungen, die ein Vielfaches des Jahresbudgets der jeweiligen Organisation betragen können. Das ist exis­tenzbedrohend.

Die Zivilgesellschaft ist unverzichtbarer Bestandteil unseres Gemeinwesens. Politische Willensbildung ist – auch wegen der nachlassenden Integrationskraft der Parteien – nicht deren exklusive Domäne, sie findet vielmehr notwendig auf allen Ebenen der Zivilgesell­schaft statt.

Politisch aktive Organisationen decken Missstände auf, bieten Dienstleistungen an, organisie­ren Selbsthilfe und Solidarität und mobilisieren wo nötig auch politischen Protest als Motor für demokratische Veränderungen. Sie vermitteln zwischen Staat und Bürger*innen und tragen einen wichtigen Teil zur demokratischen Teilhabe jenseits von Wahlen bei.

Zivilgesellschaftliche Organisationen werden vom Staat aufgefordert, sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen, etwa durch Einladungen von Umweltverbänden ins Umwelt­ministerium oder bei runden Tischen vor Ort von Parteien, Stadtverwaltung und Organisationen. Immer, wenn dieses politische Engagement selbstlos die Allgemeinheit fördert, muss sich das auch in der steuerlichen Behandlung niederschlagen.

Viele gemeinnützige Zwecke lassen sich umfassend und effektiv nur durch die Beeinflussung der politischen Willensbildung erreichen. Da es hier auch um die Verwirklichung von Grund­rechten wie Meinungsfreiheit (Art. 5), Versamm­lungsfreiheit (Art. 8), Recht auf informatio­nelle Selbstbestimmung (Art. 2) geht, för­dert diese Arbeit fraglos die Allgemeinheit. Gemein­nützige Organisationen fördern die Demokratie, wenn sie Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte unterstützen.

Eine gemeinnützige Organisation, die solche Zwecke verfolgt, kann Politik nicht nur nebenbei betreiben. Sie ist politisch und darf es sein, solange ihre Mittel und Ziele mit den Grundsätzen eines demokratischen Staatswesens, mit Respekt vor anderen Auffassungen, mit Gewaltfrei­heit und mit dem Grundgesetz vereinbar sind und sie nicht Politik im Interesse nur einer poli­tischen Partei macht.

Es braucht ein Gemeinnützigkeitsrecht, das der modernen Zivilgesellschaft und ihrer gesell­schaftlichen und politischen Rolle Rechnung trägt.