Laudato Si': Wie der Papst die ökologischen Fragen behandelt

Vertreter der deutschen Umweltbewegung beginnen Dialog mit dem Vatikan

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Vertreter der deutschen Umweltbewegung waren Anfang März im Vatikan und haben Papst Franziskus ein Diskussionspapier zu seiner Enzyklika "Laudato Si'" überreicht. Damit wollen wir die Bemühungen des Papstes hin zu einer „Humanökologie“ unterstützen, die erste Öko-Enzyklika des Vatikans weiter bekannt machen und diese insbesondere nicht der konservativen Auslegung allein überlassen.

"Laudato Si'" ist eine wegweisende Lehrschrift von Papst Franziskus, die an den Sonnengesang von Franz von Assisi aus dem Jahr 1225 anknüpft, in dem gleichermaßen die Würde des Menschen und der Natur gepriesen wird.

Mitglieder der Umwelt-Delegation waren: Bärbel Höhn (bis 2017 Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag), Michael Müller (Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands),  Kai Niebert (Präsident des Deutschen Naturschutzrings und stellvertretender Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands), Hubert Weiger (Vorsitzender des BUND), Josef Göppel (Vorsitzender des Verbands für Landschaftspflege).

Noch nie hat ein Papst so konsequent die ökologischen Fragen behandelt. In Sorge um das gemeinsame Haus der Erde will er die Menschen vereinen, um zur Pflege der natürlichen Lebensgrundlagen, der Gerechtigkeit mit den Armen und zu einem solidarischen Gemeinwesen zu kommen.

Hier nur drei Sätze aus der Öko-Enzyklika, die für die Herausforderungen der Menschen in der neuen geologischen Erdepoche des Anthropozäns stehen:

  • Der Papst beklagt die „Lüge von der unbegrenzten Verfügbarkeit der Güter unseres Planeten“ ... „Infolge der rücksichtlosen Ausbeutung der Natur läuft der Mensch Gefahr, sie zu zerstören und selbst Opfer dieser Zerstörung zu werden.“ Die ökologische Selbstvernichtung der Menschheit wird denkbar: „Wenn der Mensch seinen wahren Platz nicht wiederentdeckt, missversteht er sich selbst und widerspricht am Ende seiner eigenen Wirklichkeit.“
  • Franziskus kritisiert den „fehlgeleiteten Anthropozentrismus“, der die „technische Vernunft über die Wirklichkeit“ gestellt hat. Gegen diese Maßlosigkeit, durch die sich mit der „Allgegenwart des technokratischen Paradigmas und der Verherrlichung der grenzenlosen Macht“ ein „Relativismus entwickelt hat, bei dem alles irrelevant wird, wenn es nicht den unmittelbaren eigenen Interessen dient“. Die Enzyklika kritisiert die relativistische Denkweise, sie sei auch die „innere Logik dessen, der sagt: Lassen wir die unsichtbare Hand des Marktes die Wirtschaft regulieren, da ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die Natur ein unvermeidbarer Schaden sind.“
  • Die Lehrschrift stellt fest: „Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozial-ökologische Krise.“  Laudato Si’ fordert, diesen Zusammenhang zu sehen: „Wir kommen nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussion aufnehmen muss, um die Klagen der Armen ebenso zu hören wie die Klagen der Erde.“

"Absolute Herrschaft der Finanzen hat keine Zukunft"
Aber der Widerspruch zwischen Wissen und Handeln wird größer. In Laudato Si’ steht dazu: Statt das „gesamte System zu überprüfen und zu reformieren“, wurde eine „absolute Herrschaft der Finanzen“ unterstützt, die „keine Zukunft besitzt und nur neue Krisen hervorrufen kann.

Die Enzyklika knüpft bewusst an der katholischen Soziallehre an, um die auf die „ständige Intensivierung der Lebens- und Arbeitsrhythmen“ und die „vergötterten Märkte“ ausgerichtete Weltsicht grundlegend zu verändern. Das muss nachhaltig, ganzheitlich und generationsübergreifend am Prinzip des Gemeinwohls ausgerichtet sein.

Laudato Si’ kritisiert, dass die nationale und internationale Politik weit hinter ihren Zusagen, Verträgen und Verpflichtungen zurückbleibt. Besonders enttäuscht zeigt sich Franziskus, dass die Chancen des Erdgipfels von 1992 in Rio de Janeiro nicht genutzt wurden. Als oberster Vertreter einer Weltkirche sind seine Erwartungen an weltumspannenden Initiativen besonders hoch.

Der deutsche Katholikentag rückt das Thema nicht in sein Zentrum
Allerdings stellt sich die Frage, warum sich die Kirche bisher nicht stärker für eine sozial-ökologische Transformation einsetzt und zum Beispiel in der Klimafrage nicht eindeutig Position bezieht. Richtig ist, dass die Erderwärmung in der Enzyklika einen herausgehobenen Stellenwert hat. Der Schutz des Klimas wird als zentrales gemeinschaftliches Gut bewertet.

Diese Kritik gilt auch der deutschen Kirche. Was hat sie getan, um Laudato Si’ stärker herauszustellen, den Diskurs zu suchen und der Politik Druck zu machen? Was passiert in diesem Jahr auf dem Katholikentag, um das Thema ins Zentrum zu rücken? Leider zu wenig. Die Frage stellt sich: Ist Laudato Si' ein Anliegen des Papstes oder ein Anliegen der ganzen Kirche?

In Rom haben Vertreter der deutschen Umweltbewegung also eine Stellungnahme zu Laudato Si’ abgegeben und in vier Fragen eine Vertiefung der Debatte angeregt:

  1. Was bedeutet Laudato Si’ für die neue Erdepoche des Anthropozäns, in der sich die sozialen und ökologischen Fragen schnell und dramatisch zuspitzen? Wie kann eine Welt aussehen, die weder Mangel noch Überfluss kennt?
  2. Wie können wir das von Hans Jonas geforderte „Prinzip Verantwortung“ umsetzen und was bedeutet es für die Idee des Fortschritts? Wie können wir zu einer dauerhaften Stabilität der Ressourcenhaushalte kommen?
  3. Wie gehen wir mit den Ungleichheiten um, den sozialen, räumlichen und zeitlichen Disparitäten? Wir sind auch bei den globalen Umweltschäden nicht in einem Boot, so dass es zu politischen Rahmensetzungen und gemeinsamen Wertvorstellungen kommen muss.
  4. Wie können wir schnell zu einem Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter kommen? Wie können wir mit der Natur und nicht gegen sie arbeiten? Wie kann ein globales Programm für Arbeit und Umwelt aussehen?

Der Kirchenalltag deckt sich nicht mit Laudato Si'
Die Vertreter der deutschen Umweltbewegung besuchten auch die Konferenz „Radical ecological conversation after Laudato Si'“ in der gregorianischen Universität. Dort debattierten Wissenschaftler und Theologen aus vielen Kontinenten gemeinsam über Laudato Si’  – sowohl über die Konsequenzen aus der Enzyklika als auch über konkrete Einzelfelder.

Sicherlich ist es gut, dass dieser Dialog begonnen hat. Aber auch die Widersprüche zwischen Laudato Si’ und dem Alltag der Kirche wurden deutlich. Peter Turkson, der zuständige Kardinal für diese Fragen, offenbarte seine abwehrende Haltung. Das konnte nicht überzeugen. Die Enzyklika hätte mehr erwarten lassen.

Das Wichtigste ist: Auch die katholische Kirche, die überall in der Welt einen wichtigen Einfluss hat und diesen für eine sozial-ökologische Transformation nutzen muss, hat noch einen langen Weg vor sich. Auf der Konferenz bot sie überwiegend individualistische Lösungen durch Verhaltensänderungen an.

Das ist sicher ein wichtiger Beitrag, aber vor allem muss es um das Gemeinschaftsgut Natur gehen. Das verlangt mehr, in erster Linie radikale Änderungen in Politik, Technik und Wirtschaft. Das beschreibt Laudato Si’, hoffentlich ist es angekommen.

Michael Müller
Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands

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