Mehr als 40.000 bei Menschenketten gegen Rassismus

40 Organisationen von Amnesty International bis zum Zentralrat der Muslime riefen zur Teilnahme in Bochum, Berlin, Hamburg, Leipzig und München auf

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Hand in Hand standen am 18. und 19. Juni mehr als 40.000 Menschen in fünf deutschen Großstädten und zahlreichen weiteren Orten. In Bochum, Berlin, Hamburg, Leipzig und München verbanden Demonstranten mit kilometerlangen Menschenketten kirchliche und soziale Einrichtungen, Flüchtlingsunterkünfte, Kulturstätten und Rathäuser. Die Veranstalter, darunter die NaturFreunde Deutschlands, werten dies als starkes Signal gegen Rassismus und für ein weltoffenes und vielfältiges Deutschland.

In Berlin bildeten am Sonntag 9.000 Menschen eine bunte, 6,5 Kilometer lange Menschenkette von Kreuzberg bis zum Roten Rathaus. Zahlreiche Prominente reihten sich ein, darunter Landesbischof Markus Dröge und Barbara John, die Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Berlin. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sprach auf dem Oranienplatz: „Die große Mehrheit in Deutschland steht für Weltoffenheit und Menschlichkeit, nicht für dumpfen Rassismus. Wir haben es heute bewiesen, und werden es immer wieder beweisen – mit unserer täglichen Unterstützung für die Geflüchteten, ob Zuhause oder im Betrieb.“

„Wir sagen Nein zu Hass und Ausgrenzung!“

Uwe Hiksch, Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands und Anmelder der Menschenkette in Berlin, begründet das Engagement der vielen Menschen: „Gemeinsam mit Zehntausenden sind wir NaturFreunde auf die Straße gegangen, um gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu demonstrieren. Wir nehmen nicht hin, dass Angriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund zunehmen und andere Menschen wegen ihrer religiösen Überzeugung ausgegrenzt werden. Wir sagen Nein zu Hass und Ausgrenzung!“

Das Bündnis kritisiert, dass sich in Deutschland zwar Hunderttausende Menschen für die Aufnahme von Geflüchteten engagierten, diese gleichzeitig aber immer häufiger auf offener Straße beschimpft und angegriffen würden. Der zunehmende Rassismus in der Gesellschaft richtet sich zudem immer häufiger auch gegen Helfer, Menschen anderer Hautfarbe und Religionen, Lesben, Schwule und Transgender sowie Politiker, die sich für eine demokratischen und friedliche Gesellschaft und den Schutz von Minderheiten engagieren. Der gesellschaftliche Zusammenhalt und die demokratischen Grundwerte würden auf die Probe gestellt, Europa schotte sich immer weiter ab.

In einem großen Kreis durch die Innenstadt verknüpfte die Menschenkette in München mit 6.000 Teilnehmern trotz strömenden Regens die israelische Kultusgemeinde, das Forum für Islam, zwei Kirchen, das Flüchtlingszentrum Bellevue di Monaco und das schwule Kommunikationszentrum Sub.

Die geistigen Brandstifter verantwortlich machen

In Leipzig verband eine drei Kilometer lange Menschenkette lokale Moscheen, das Gewandhaus, Oper, Universität, Nikolaikirche, und das Synagogenmahnmal. Auch zahlreiche Motorradfahrer nahmen mit einem Motorradkorso auf Einladung des MC Kuhle Wampe teil. Tilmann Schwenke, Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands und Redner in Leipzig, verurteilte die durch Rassisten zunehmende Gewalt in der Gesellschaft: „Häuser zündet man nicht an, weder mit Feuer noch mit Worten. Die geistigen Brandstifter sind auch dafür verantwortlich, dass Flüchtlingsheime angezündet und Politiker niedergestochen werden. Wir NaturFreunde rufen alle Menschen dazu auf, sich nicht nur während der Menschenketten dem Hass und dem Rassismus entgegen zu stellen. Unsere Werte sind Mitmenschlichkeit und Internationalismus.“

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland, sprach am frühen Abend in Hamburg vor 7.000 Teilnehmern einer Menschenkette, die die Hauptkirche St. Petri mit der Al Nour Moschee und der jüdischen Gemeinde verband: "Im Grunde unseres Herzens sehnen wir Menschen uns nach Aussöhnung, Verständnis und Toleranz, und es widerstrebt uns, Hass, Rassismus und Gewalt auszuüben. Laßt uns in jeder Stadt, Juden, Christen, Muslime und Humanisten für den Wert eintreten, der unser Menschsein im tiefsten Inneren ausmacht: Frieden.“

Fast 10.000 Berliner #HandInHand gegen Rassismus #Menschenkette 19.6.2016 (antikriegTV) - Youtube.com

„Es ist höchste Zeit, sich aktiv gegen Rassismus und Nationalismus zu wenden"

Jannis Pfendtner, Mitglied der Bundesleitung der Naturfreundejugend Deutschlands und ebenfalls Redner in Hamburg, warb für den Kampf gegen Rassismus an unterschiedlichen Orten: „Es ist höchste Zeit, sich aktiv gegen Rassismus und Nationalismus zu wenden – in der Familie, der Arbeit, dem Stadtteil und gemeinsam auf der Straße.“

Bereits am Samstag hatte sich der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske vor 8 500 Menschen in Bochum dafür ausgesprochen, gemeinsam mit den Arbeitgebern die Voraussetzungen für ein Integrationsjahr für Flüchtlinge zu schaffen, wie es auch die IG Metall fordert. „Für den sozialen Frieden ist es elementar wichtig, dass diejenigen, die im Niedriglohnbereich arbeiten, nicht das Gefühl bekommen, dass Flüchtlinge ihre Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern”, so Bsirske.

Neben den fünf Großstädten demonstrierten auch in sechzehn weiteren Städten - darunter Bonn, Karlsruhe, Münster und Osnabrück mehrere Tausend Menschen gegen Rassismus, für Menschenrechte und Vielfalt. In Offenbach zum Beispiel organisierte die dortige Ortsgruppe eine Menschenkette mit 400 Teilnehmern.

Die Unantastbarkeit der Menschenwürde

Das Bündnis “Hand in Hand gegen Rassismus” steht für die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Wahrung der Menschenrechte unabhängig von Glaube, Herkunft, Hautfarbe und sexueller Identität. Es fordert unter anderem, dass die Genfer Flüchtlingskonvention nicht in Frage gestellt oder durch nationale Asylrechtsverschärfungen untergraben werden dürfe. Zwar müssten in erster Linie die Fluchtursachen bekämpft werden, heißt es im Aufruf des Bündnisses, doch dürfe man nicht die Augen vor der Not der Menschen verschließen, die vor Verfolgung, Terror, Krieg und Armut flöhen. Nur gemeinsam und miteinander ließen sich die globalen Herausforderungen meistern.

Das Bündnis ruft zudem dazu auf:

  • für eine offene Gesellschaft einzustehen und nicht vor Hass und Vorurteilen zurückzuweichen;
  • Rassismus und Hassreden friedlich aber entschieden entgegen zu treten;
  • Flüchtlinge und alle zu schützen, die von rassistischer Hetze und Angriffen bedroht werden;
  • wirksame Schutzkonzepte für Frauen, Kinder, Schwule, Lesben und Transsexuelle zu entwickeln und umzusetzen;
  • Fluchtursachen zu bekämpfen;
  • Waffenexporte in Krisengebiete zu stoppen;
  • Haupt- und ehrenamtliche Helfer_innen in ihrer wertvollen Arbeit besser zu unterstützen;
  • für Teilhabe und Integration zu sorgen: alle Menschen haben das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, auf bezahlbaren Wohnraum und auf Zugang zu Bildung und Arbeit.

Zum Trägerkreis des Bündnisses gehören:
Amnesty International Deutschland, Brot für die Welt, Campact, Der Paritätische, Deutscher Gewerkschaftsbund, Diakonie Deutschland, Lesben- und Schwulenverband Deutschlands, Misereor, NaturFreunde Deutschlands, Oxfam, Pro Asyl, Union progressiver Juden in Deutschland, Venro, Zentralrat der Muslime in Deutschland.

Unterstützende Organisationen:
AWO Arbeiterwohlfahrt, Attac, Bundesverband Deutsche Tafel, Dachverband der Migrantinnenorganisationen, Deutscher Frauenrat, Deutscher Kulturrat, Deutsches Kinderhilfswerk, Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern, Humanistische Union, Interkultureller Rat in Deutschland, IPPNW Hamburg, Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, Liberal-Islamische Bund, medica mondiale, München ist bunt, Stiftung für die internationalen Wochen gegen Rassismus, terre des hommes Deutschland.

Das Bündnis wurde initiiert von:
Amnesty International Deutschland, Campact, NaturFreunde Deutschlands, Pro Asyl.

40.000 Hand in Hand gegen Rassismus, für Menschenrechte und Vielfalt. - Youtube.com

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Hand in Hand Menschenkette gegen Rassismus 2016 Galerie

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