Was die Schokolade über den Welthandel erzählt

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Sie heißen Barry Callebaut, ADM Cocoa, Cargill oder Blommer und an ihnen kommt kaum jemand vorbei: die weltweit wenigen großen kakaoverarbeitenden Unternehmen, die über zwei Drittel des Weltmarktes für Kakaoverarbeitung beherrschen.

Nicht alle kakaoverarbeitenden Unternehmen verarbeiten den Rohkakao bis zur fertigen Schokolade, viele verkaufen Halbfabrikate wie Kakaomasse, Kakaopulver oder Kakaobutter und stellen selbst gar keine Schokolade her. Um die Herstellung kümmert sich das nächste Glied in der Produktionskette, der Süßwarenhersteller. Dazu gehören bekannte Konzerne wie Mars, Nestlé und Ferrero.

Den wenigen, riesigen kakaoverarbeitenden Unternehmen gegenüber stehen 5,5 Millionen Bäuer_innen, die den Kakao anbauen. Kakao wird überwiegend in kleinbäuerlichen Strukturen angebaut: 90 Prozent des Kakaoanbaus findet auf kleineren Parzellen von 2 bis 5 Hektar statt.

Für insgesamt 40–50 Millionen Menschen ist Kakao die Haupteinnahmequelle. Jedoch ist der Anbau von Kakao kein rentables Geschäft: Das Einkommen der meisten Kakaobäuer_innenfamilien liegt deutlich unter der Armutsgrenze. In Ghana liegt das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen von Kakaoproduzent_innen umgerechnet bei 0,76 Euro am Tag, in der Elfenbeinküste beträgt es sogar nur 0,45 Euro.

Die Jahresernte eines Kakaobaumes ergibt ein halbes Kilogramm Kakao

Der Kakaoanbau ist sehr arbeitsintensiv und beruht auf Handarbeit und er erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit und Pflege. Der Kakaobaum blüht das ganze Jahr hindurch und entwickelt somit auch ständig Früchte. An ihm wachsen die großen Kakaoschoten, die mit Macheten oder Stöcken von den Bäumen geschlagen werden. Jede Kakaoschote enthält circa 20–30 Samen, die von einem süßen weißen Fruchtfleisch umgeben sind – dies sind die Kakaobohnen. Es braucht eine ganze Jahresernte eines Baumes, um ein halbes Kilogramm Kakao zu produzieren. Da die Schoten eben nicht alle zur gleichen Zeit reif sind, müssen die Bäume ständig beobachtet werden.

Kakao ist eine sehr empfindliche Pflanze, die schnell auf Wetterveränderungen reagiert und anfällig für Krankheiten und Schädlinge ist. Nachdem die reifen Schoten geerntet wurden, werden sie mit Macheten geöffnet und die Bohnen entnommen. Die Kakaobohnen müssen anschließend noch fermentiert, gewaschen, getrocknet und in Säcke verpackt werden. Dann sind sie fertig zum Weiterverkauf an die Zwischenhändler_innen.

Bis aus der bitteren Bohne eine süße, zartschmelzende Schokolade entsteht, ist es ein langer Weg. Zwischenhändler_innen kaufen die Säcke mit den rohen Kakaobohnen und verkaufen sie an Exportunternehmen. Der Großteil der Kakaobohnen wird nicht in den Anbauländern verarbeitet. Nachdem die Kakaobohnen bei den Vermahlungsunternehmen im globalen Norden ankommen, werden sie weiterverarbeitet. Die Bohnen werden zerstoßen und die Hüllen entfernt, geröstet und schließlich gemahlen. Das Ergebnis – Kakaomasse – wird zur Herstellung von Schokolade verwendet, oder weiter verarbeitet zu Kakaobutter und Kakaopulver.

Problem Kinderarbeit

Aufgrund der niedrigen Einkommen können sich die meisten Kakaobäuer_innen die Einstellung regulärer Arbeitskräfte nicht leisten. Folglich greifen sie oft auf die eigenen Kinder als unbezahlte Arbeitskräfte zurück. Alleine in der Elfenbeinküste und Ghana, die hauptsächlich für den europäischen Schokoladenmarkt produzieren, arbeiten etwa zwei Millionen Kinder, Hunderttausende von ihnen unter Bedingungen, die zu den schlimmsten Formen von Kinderarbeit zählen. So sind Kinder durch starke körperliche Belastungen sowie den Umgang mit gefährlichen Werkzeugen und Chemikalien massiven Gesundheitsrisiken ausgesetzt.

Was hat dies alles mit Freihandel zu tun?

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Bei unverarbeiteten Kakaobohnen verzichtet die EU auf einen Importzoll, Kakaoprodukte werden hingegen mit Zöllen in Höhe von rund acht Prozent belegt. Die Konsequenz ist, dass Kakao nicht in den Herkunftsländern veredelt wird, sondern in Europa.

Bereits im „NaturFreunde-Grundsatzpapier zur EU-Afrika-Politik“ kritisierten die NaturFreunde die schon abgeschlossenen und geplanten Wirtschaftspartnerschaften (EPA) der Europäischen Union mit Staaten und Staatengruppen in Afrika. Darin würden den afrikanischen Ländern politische Maßnahmen auferlegt, die vor allem im Interesse der EU-Staaten seien und nicht dazu beitrügen, den Kontinent aus der sozialen und ökonomischen Krise und aus der Abhängigkeit herauszuführen.

Länder wie die Elfenbeinküste, Ghana und Kamerun wurden von der EU alternativlos zu sogenannten „Übergangsabkommen“ gedrängt. Die vertraglichen Bestimmungen zwingen die Länder, im Gegenzug zum Marktzugang zur EU ihre Märkte nahezu ganz für EU-Produkte zu öffnen und auf Zolleinnahmen zu verzichten. Von Partnerschaft und Verhandlungen auf Augenhöhe kann nicht die Rede sein.

Was die EU tun könnte

Wenn die EU es mit den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ernst meint, sollte sie:

  • Zölle auf Kakaoprodukte abschaffen;
  • finanzielle Mittel zum Aufbau konkurrenzfähiger Strukturen entlang der gesamten Verarbeitungskette zur Verfügung stellen;
  • die Bildung von Kooperativen fördern, mit dem Ziel, die Abhängigkeit von Kakaobäuer_innen von den wenigen großen Akteur_innen der weiterverarbeitenden Industrie zu reduzieren;
  • Know-How vor Ort fördern;
  • sicherstellen, dass Unternehmen die Einhaltung der Menschenrechte entlang der gesamten Kakaolieferkette gewährleisten und zur Beseitigung der gegenwärtigen sozialen und ökologischen Probleme beitragen.

Dazu sagt Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde: „In der laufenden Legislaturperiode wird es darum gehen, die Bundesregierung durch außerparlamentarisches Handeln zu einer veränderten Außenwirtschaftspolitik zu bringen. Gelingt dies nicht, werden sich die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen für die Staaten des globalen Südens noch weiter verschlechtern. Hierbei ist die politische Debatte in Deutschland besonders wichtig, da die bundesdeutsche Politik aufgrund der ökonomischen Macht Deutschlands die EU-Außenwirtschaftspolitik maßgeblich verändern könnte.“

Was kann ich als Einzelne_r tun?

Siegel wie Fairtrade, Rainforest Alliance und UTZ legen Standards wie die Wahrung internationaler Menschen- und Arbeitsrechte, das Verbot missbräuchlicher Kinderarbeit, die Verbesserung landwirtschaftlicher Anbaupraktiken und Umweltschutzmaßnahmen für einen nachhaltigen Kakaoanbau zugrunde. Sie sind damit zurzeit einer der wichtigsten Hebel, um die Situation der Kakaobäuer_innenfamilien zu verbessern. Die Einhaltung der Standards wird durch unabhängige Zertifizierungsorganisationen kontrolliert. Keines der drei Siegel garantiert jedoch, dass die Kakaobäuer_innenfamilien über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen. Dennoch gibt die Mehrheit der Kakaobäuer_innen an, dass sich ihre Lebensbedingungen durch die Teilnahme an einem der jeweiligen Zertifizierungsprogramme verbessert haben.

Die höchsten Sozialstandards haben oft Schokoladen aus Weltläden. Diese verkaufen ausschließlich fair gehandelte Produkte und leisten wichtige Bildungs- und Kampagnenarbeit zum Fairen Handel. Sie verkaufen unter anderem Schokoladenprodukte der Importorganisationen des Fairen Handels wie zum Beispiel der GEPA. Auch die GEPA lässt den Kakao von Fairtrade International zertifizieren, geht aber in ihren Anforderungen über die Fairtrade-Standards hinaus. So verfügt sie beispielsweise über persönliche Handelsbeziehungen zu den Kakaobäuer_innen.

David Geier
Beauftragter des Bundesvorstands für Freihandelspolitik