Das Plastikmeer

Wie die Ozeane zur Müllkippe wurden und was dagegen getan werden soll

Vom 8. bis 10. Mai 2015 beteiligen sich die Naturfreunde Internationale (NFI) und ihre Mitgliedsorganisationen am europäischen Müllsammeltag "Let's clean up Europe". Unter dem Motto "Gut aufgehoben: NaturFreunde machen sauber" sind alle Mitglieder aufgerufen, mitzumachen. Mehr Informationen ...

Plastik-Verpackungen treiben über Flüsse ins Meer. Touristen hinterlassen Müll an den Stränden. Fischernetze aus Kunststoff bleiben am Meeresgrund liegen. Die Reste unserer Wegwerfgesellschaft töten jedes Jahr nach UN-Angaben eine Million mariner Lebewesen, zerstören empfindliche Ökosysteme und setzen gefährliche Chemikalien frei. Diese reichern sich dann in der Nahrungskette an und schädigen den Hormonhaushalt sowie das Erbgut der Meerestiere. Über den Verzehr von Fischen und Meeresfrüchten kommt am Ende auch der Mensch in den „Genuss“ seiner zivilisatorischen Machenschaften.

Die Ozeane sind zur Mülltonne geworden. Mehr als 100 Millionen Tonnen Abfall wurden mittlerweile in den Weltmeeren „entsorgt“. Drei Viertel davon sind Kunststoffe. Und jedes Jahr kommen bis zu 6,4 Millionen Tonnen dazu. 70 Prozent sinken zu Boden, die anderen 30 Prozent werden an Strände gespült oder treiben an der Wasseroberfläche. 13.000 Plastikmüllpartikel schwimmen auf jedem Quadratkilometer Meer. Der in der Nordsee enthaltene Abfall wird auf insgesamt 600.000 Kubikmeter geschätzt. Diese Zahlen hat das Umweltbundesamt aus internationalen Untersuchungen zusammengestellt.

Eine Richtlinie der Europäischen Union will bis 2020 einen guten Umweltzustand in allen europäischen Meeren erreichen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Müll. Deshalb hat im Juni die Oslo-Paris-Kommission für den Nordatlantik einen Aktionsplan beschlossen. 2015 soll ein Plan im Rahmen der Ostseekooperation (HELCOM) folgen. Diese Aktionspläne wollen unter anderem den Einsatz von Mikroplastik reduzieren. Das sind weniger als fünf Millimeter große Plastikteilchen, die in der Industrie, in Kosmetikartikeln, aber auch in Bekleidung aus Fleece verwendet werden. Mikroplastik entsteht zudem aus größeren Plastikobjekten durch Witterung oder mechanische Einwirkungen im Meer. Für Meereslebewesen  sind diese Teilchen besonders gefährlich. Des weiteren sollen Schiffsabfälle in den Häfen künftig ordentlich entsorgt werden und Maßnahmen zur Reinigung der Meere unterstützt werden. Dazu gehört zum Beispiel eine „Fishing For Litter Initiative“, nach der Fischer in ihren Netzen aufgefangene Abfälle an Land kostenlos entsorgen sollen. Die vom Nabu gestartete Aktion wird inzwischen von 60 Fischern in sechs deutschen Nordsee- und Ostseehäfen unterstützt. 40 weitere Landestellen gibt es in England, Schottland, Belgien, Schweden und den Niederlanden. Die Fischer leisten die Arbeit ehrenamtlich.

Andere suchen nach technischen Lösungen, mit deren Hilfe vielleicht auch eines Tages die größte Ansammlung von Müllteilen im Nordpazifik eingefangen werden kann. Dieser „Müllstrudel“ ist nach Expertenmeinung vierzigmal so groß wie die Fläche Deutschlands. Auf der Lindenau-Werft in Kiel zum Beispiel wird ein Recyclingschiff geplant, das zunächst bei den Kapverdischen Inseln Müll sammeln, sortieren und wiederverwerten soll. IT-Berater Günther Bonin aus Germering experimentiert mit einem „Seehamster“, dessen große Abflussrohre auf einer schwimmenden Plattform in Bächen und Flüssen den schwimmenden Abfall sammeln. Und die Stiftung „Waste Free Oceans“ (WFO) hat spezielle Netze für Fischer entwickelt, die bis zu acht Tonnen Plastikmüll sammeln können.

Besser wäre es allerdings, Plastikmüll zu vermeiden. Die Deutsche Umwelthilfe hat in einer Aktion in Berlin Einwegplastiktüten gegen mehrfach verwendbare Taschen eingetauscht. Und dabei an die Besucher appelliert, ihr eigenes Konsumverhalten zu überdenken: Leinenbeutel oder Mehrwegtüten können bis zu 1.000 Plastiksäckchen ersetzen. Wasser aus dem Hahn erspart Tausende von Plastikflaschen.

Eine Studie der EU-Kommission schlägt gar vor, Pfand für Plastikverpackungen zu verlangen. In Irland zum Beispiel ist mit einer entsprechenden Abgabe in Höhe von 22 Cent der  Tütenverbrauch von 328 pro Jahr und Person auf 21 zurückgegangen. Das funktioniert!

Eckart Kuhlwein, Bundesfachbereich Naturschutz, Umwelt und Sanfter Tourismus (NUST)
Dieser Artikel erschien zuerst in NATURFREUNDiN 3-2014.