Deutschland braucht ein Klimaschutzgesetz

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Es ist wieder passiert: Der Juni 2016 war der heißeste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. US-Meteorologen gehen davon aus, dass das Jahr 2016 einen neuen Temperaturrekord markieren wird. Dabei wurden neun der zehn heißesten Jahre nach der Jahrtausendwende gemessen.

Der Pariser Klimavertrag hat sich zum Ziel gesetzt, die globale Erwärmung auf „möglichst 1,5 Grad zu begrenzen“. Mindestens 0,9 Grad sind schon erreicht. Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, dürfte die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre die Schwelle von 420 parts per million (ppm) nicht überschreiten. Vorindustriell hatten wir 280 ppm, heute werden bereits 400 ppm gemessen. Und jährlich kommen derzeit drei ppm im Durchschnitt dazu.

Deshalb sind konkrete Schritte notwendig, um die Treibhausgasproduktion zu reduzieren. Rasch! Das Bundesumweltministerium hat nun den Dialogprozess „Klimaschutzplan 2050“ angestoßen, in dem Politik und Zivilgesellschaft konkrete Maßnahmen entwickeln sollen, die die Emissionen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent unter das Jahresniveau von 1990 reduzieren. Denn nach dem Paris-Vertrag müssen die weltweiten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 von heute 35 Gigatonnen auf dann Null gesenkt werden.

Eigentlich nicht schlecht, für diese Herkulesaufgabe einen solchen Dialogprozess einzulegen. Eigentlich. Der von Bundeskanzlerin Angela Merkel freigegebene Entwurf des Klimaschutzplans 2050 bleibt jedoch deutlich hinter dem Notwendigen zurück. Der Plan ignoriert unsere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen.

Nur 27 Prozent CO2 in 25 Jahren gespart

Erinnern wir uns: Im Jahr 1991 beschloss Deutschland ein erstes Klimaziel – minus 30 Prozent bis 2005. Weil aber viel zu wenig Politik für dieses Ziel betrieben wurde, war es einfach nicht zu schaffen. Aktuell hecheln wir dem Klimaziel für das Jahr 2020 hinterher: Deutschland hat sich diesmal verpflichtet, seine Emissionen um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Nach 25 Jahren Klimapolitik haben wir jedoch erst 27 Prozent geschafft. Das ist grob ein Prozent Reduktion pro Jahr – 13 Prozent fehlen also. Und es sind nur noch vier Jahre Zeit. Doch statt sich zu sputen, bremst die Politik.

Jetzt geht es also um das 2050-Ziel. Die Umweltverbände fordern Reduktionsziele mit klaren Zwischenzielen. Etwa für die Jahre 2025, 2030, 2040 – und für alle Politikbereiche, von der Energie- über die Verkehrspolitik bis hin zur Landwirtschaft. Dazu gehören auch ein verbindlicher Zeitplan für den Kohleausstieg bis spätestens 2035 sowie eine gesetzliche Verankerung des Klimaschutzes. Denn: Ein Klimaschutzplan ist nichts weiter als ein lockeres Vorhaben. Wenn wirksamer Klimaschutz Wirklichkeit werden soll, braucht es klare gesetzliche Vorgaben, zum Beispiel in einem Klimaschutzgesetz, das die Ziele einklagbar macht.

Das ist das Wesen der deutschen Klimapolitik: International lassen wir uns als Vorreiter feiern. Schaut man jedoch in die Tagespolitik, fahren Wirtschaftsministerium, Kanzleramt und diverse rückwärtsgewandte Abgeordnete den Klimaschutz gegen die Wand. Deutschland ist mit der Unterschrift unter das Klimaschutzabkommen von Paris Verpflichtungen eingegangen, die es nun erfüllen muss. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung.

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hat es sich zum Ziel gesetzt, gesellschaftliche Akteure zu mobilisieren, um die Glaubwürdigkeit Deutschlands zu retten. So haben auf DNR-Initiative der Deutsche Olympische Sportbund, der Bundesjugendring, der Kulturrat und auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, endlich ernst zu machen. Denn die Erfahrung zeigt: Klimaziele anzukündigen, das allein reicht einfach nicht.

Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und stellvertretender Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 4-2016.