Michael Müller über Verantwortung im Zeitalter des Menschen

Ein Standpunkt des Bundesvorsitzenden der NaturFreunde Deutschlands

In diesem Jahr feiern die NaturFreunde ein großes Jubiläum. Vor 125 Jahren wurde unser Verband in Wien gegründet, in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche. Von Anfang an haben wir uns dafür eingesetzt, die soziale mit der ökologischen Gerechtigkeit zu verbinden. Denn echter gesellschaftlicher Fortschritt ist ohne sozial-ökologische Gerechtigkeit nicht möglich.

Diese Programmatik ist heute aktueller denn je. Erneut findet ein tief greifender Umbruch statt. Eine neue Erdepoche – das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen – löst die gemäßigte Warmzeit ab, in der sich die menschliche Zivilisation in den letzten rund 11.000 Jahren entwickeln konnte. Deshalb steht der 31. NaturFreunde-Bundeskongress, der vom 27. bis 29. März in Berlin stattfindet, auch unter dem Leitthema „Leben im Zeitalter des Menschen – sozial ∙ ökologisch ∙ frei.“

Die NaturFreunde sind der erste Umweltverband, dessen Kongress sich schwerpunktmäßig mit der Epoche der Menschenwelt beschäftigt. Das Anthropozän ist heute der zentrale Begriff in der Erdsystemforschung, die sich mit dem immer problematischeren ökologischen Zustand unseres Planeten beschäftigt. Der Mensch zerstört die biologische Vielfalt, entleert die Meere, greift in das Weltklima ein und verändert die
Erdoberfläche. Der Bundesvorstand hat dazu ein Positionspapier vorgelegt.

Natürlich hat es in der Geschichte der Menschheit immer wieder große Naturzerstörungen gegeben. Aber durch die Globalisierung der Umweltbelastungen haben sie mittlerweile eine neue Dimension angenommen. Zu den entscheidenden Ursachen gehört, dass sich seit der Industriellen Revolution die Zahl der Menschen nahezu verzehnfacht, der Ressourcenverbrauch verzwanzigfacht und die Eingriffstiefe in die natürlichen Lebensgrundlagen bis um das Hundertfache erhöht haben.

Tatsächlich ist der Mensch in den letzten Jahrzehnten zu einem bestimmenden Faktor geo-ökologischer Prozesse geworden. Wir sind wie eine Naturgewalt und manche reden schon von „besiegter Natur“. Dabei hat in erster Linie unsere Naturzerstörung eine äußerst bedrohliche Dimension angenommen. Sogar ein Ende der menschlichen Zivilisation, so wie wir sie kennen, wird denkbar.

Das Anthropozän ist eine ernste Mahnung, dass es keine menschenwürdige Zukunft mehr gibt. Aber ein solches Schicksal ist nicht unabwendbar. Das Anthropozän verlangt von uns, die Verantwortung des Menschen gegen die technischen und ökonomischen Verwertungszwänge zu stärken.

Die Grundidee der europäischen Moderne, die Emanzipation und Befreiung des Menschen, muss erneuert und erweitert werden. Die Grundlage dafür ist eine sozial-ökologische Gestaltung der Transformation, die sich heute vollzieht. Wir NaturFreunde orientieren uns dabei an der Leitidee der Nachhaltigkeit.