Warum Waldschutz der beste Klimaschutz ist

100 Milliarden Dollar jährlich sollen auf der Klimakonferenz in Paris aus dem Norden in den Süden umverteilt werden

„Frieden ist schlecht für den Klimaschutz“, sagt Greg McDonald. Der Australier meint das ernst. In Indonesiens nördlichster Provinz Aceh leitete er ein Waldschutzprojekt. 30 Jahre lang tobte dort ein Bürgerkrieg. „Die Rebellen hatten sich im Urwald verschanzt, entsprechend gefährlich war es, da hineinzuspazieren.“ Über drei Millionen Hektar Wald, eine Fläche größer als Belgien, waren eine No-go-Area. Bis zum Tsunami 2004. Von der Flut geschwächt, gaben die Rebellen auf. Seither herrscht Frieden.

Allerdings nicht für den Urwald auf der Insel Sumatra. Für den war der Friedensvertrag eine Kriegserklärung. „Plötzlich ist der Wald ins wirtschaftliche Blickfeld gerückt“, sagt McDonald. Manager seien dutzendweise aufgetaucht, um billig große Flächen Wald zu kaufen, die gerodet und in Palmöl-Plantagen umfunktioniert wurden. Auch die ehemaligen Rebellen rodeten Holz, „illegal, denn was sollen sie auch tun: Mit dem Friedensvertrag verloren sie ihren Job“.

Zwei Sekunden: ein Fußballfeld Wald weniger

Der einfachste, billigste und schnellste Weg, die Atmosphäre zu entlasten, ist der Schutz des Waldes. Nach der Energiewirtschaft bildet das Abbrennen oder Kahlschlagen der Wälder die zweitgrößte Quelle von Kohlendioxid. Jede Sekunde vernichten Holzfäller weltweit eine Waldfläche in der Größe eines halben Fußballfeldes. Entwaldung macht nach unterschiedlichen Angaben 16 bis 30 Prozent der menschlichen Kohlendioxid-Emissionen aus. Global organisierte Verbrecherbanden stehen hinter den Holzfällern, die jährlich zwischen 10 und 15 Milliarden Dollar Gewinn einstreichen. Zu diesem Ergebnis kommt die Weltbank in ihrem Bericht „Gerechtigkeit für die Wälder“. Illegale Abholzung sei zur „globalen Krankheit“ geworden, trotz eindeutiger Beweislast würden die „Verbrechen am Wald“ ignoriert, schreibt die Weltbank. Die Abholzung zeige vergleichbare Strukturen wie der internationale Drogenhandel „und muss deshalb auch genauso bekämpft werden“.

Milliarden Tonnen Treibhausgase

Asian Pulp & Paper (APP), einer der weltgrößten Papierhersteller, hat die Kapazität seiner Fabriken auf den indonesischen Inseln Borneo und Sumatra zwischen 2006 und 2011 von 2,6 Millionen Tonnen im Jahr auf 17,5 Millionen Tonnen erhöht. Die größte Bedrohung der Regenwälder auf Borneo und Sumatra ist derzeit die Umwandlung in Palmöl-Plantagen und schnell wachsende Baumarten wie Akazie oder Eukalyptus für die Zellstoffproduktion. Von den ursprünglichen Waldgebieten Borneos, die einmal 95 Prozent der Insel bedeckten und nach dem Amazonas der zweitgrößte zusammenhängende Regenwald der Erde waren, sind nicht einmal mehr 50 Prozent übrig geblieben. Sumatra ist heute sogar nur noch zu 30 Prozent mit Wald bedeckt.

Nach Schätzungen des indonesischen Forstministeriums ist Indonesien im Jahr 2012 zum weltweit drittgrößten Treibhausgasemittenten aufgestiegen – hinter China und den USA, aber noch weit vor dem Milliardenstaat der Inder und den Wohlstandsweltmeistern Japan und Deutschland. Allein der indonesische Waldschwund zusammen mit der Torfzersetzung war demnach für jährlich 1.200 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente verantwortlich. Zum Vergleich: Deutschland lag 2013 bei 950 Millionen Tonnen. „Die Entwaldung ist einer der größten Klimakiller. Wenn es uns nicht gelingt, diese zu stoppen, brauchen wir über alles andere nicht zu reden“, sagt Waldschützer McDonald.

Pro Hektar: 555 Tonnen gespeichertes CO2

Auf der Klimakonferenz in Paris wird Anfang Dezember das Thema Entwaldung deshalb auch ganz oben auf der Verhandlungsagenda stehen. Man kann relativ gut berechnen, wie viel Kohlendioxid im Wald gespeichert ist. Pro Hektar Fläche bilden deutsche Wälder beispielsweise 300 Kubikmeter Holz, in dem etwa 555 Tonnen Treibhausgas gespeichert sind. Seit es den Emissionshandel gibt, ist dafür auch ein Preis bekannt. An der Strombörse in Leipzig kostet die Tonne derzeit etwa sieben Euro. Macht einen Wert von etwa 3.900 Euro pro Hektar Wald.

Die Frage ist: Wie kommen die Besitzer des Regenwaldes auf Sumatra zu diesem Geld? Die Klimadiplomaten hatten ursprünglich vor, Wald tatsächlich in den Emissionshandel einzubeziehen. Weil aber weltweit schätzungsweise 1.000 Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Wald gespeichert sind, hätten die „Wald-Zertifikate“ den Mark überschwemmt und den Preis in den Keller geschickt.

Also keine Zertifikate. Die Weltbank startete deshalb eine „Forest Carbon Partnership“ – einen Fonds, der den sogenannten REDD-Mechanismus umsetzen soll – übersetzt: „Mechanismus zur Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung“. „Der Fonds soll mindestens 200 Millionen Euro umverteilen“, erklärte Weltbankpräsident Robert Zoellick. Aufbringen sollen diese Summe willige Geberländer. Australien, Japan, Großbritannien und die Niederlande hatten sich genauso beteiligt wie die Schweiz, Finnland oder Kanada. Deutschland zahlte 99 Millionen ein und ist damit zweitgrößter Geldgeber.

Mit dem Geld sollen Projekte entwickelt werden, die einen nicht gerodeten Wald wertvoller machen als das verkaufte Holz. „Wer vom Wald leben kann, der wird ihn schützen“, sagt Greg McDonald, der Ökologie und Asienwissenschaften studiert hat. „Wir schulen die ehemaligen Rebellen zu Waldrangern um und geben ihnen einen Job.“ Zusammen mit der Provinzregierung hat er das Konzept entwickelt. Und mit dem REDD-Geld will er die Einheimischen zu Energieproduzenten machen. „Wir haben viel Potenzial für kleine, naturverträgliche Wasserkraft. Nachhaltige Biomassekraftwerke sind machbar. Und Solarenergie natürlich auch.“ McDonalds Motto lautet: „Leben mit dem Wald, nicht gegen ihn.“

Bislang aber sind die meist armen Waldstaaten auf den guten Willen der Industriestaaten angewiesen. Das soll sich nun in Paris ändern. Auf der Klimakonferenz wollen die Klimadiplomaten aus den „freiwilligen Geberländern“ eine Finanzierungspflicht der Industriestaaten machen. Deutschland, Großbritannien, Belgien, die USA, Australien und Co. sollen zahlen – mindestens 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020. Quasi eine Art Ablasshandel: 80 Prozent aller Treibhausgase in der Atmosphäre stammen aus Schloten der Industriestaaten, weshalb wir auch „Schuld“ an der fortschreitenden Erderwärmung tragen.

100 Milliarden jährlich: zur Anpassung

Leidtragend sind aber die Staaten des Südens: Die Flut 2010 in Pakistan oder in Thailand 2011, Tropenstürme wie Sandy 2012 auf Haiti oder Haiyan 2013 auf den Philippinen, Hitzewellen wie in Afrika oder in diesem Jahr in Indien mit Tausenden Toten – viele der Entwicklungsländer liegen in geografischen Hotspots des Klimawandels. Die 100 Milliarden jährlich aus den Industriestaaten sollen den globalen Süden in die Lage versetzen, sich an die Folgen der Erderwärmung anzupassen. 

Nick Reimer
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 4-2015.