Das große „M“ in der Landwirtschaft

Ein Bericht vom diesjährigen „Wir haben es satt!“-Kongress 2016

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„Landwirtschaft Macht Essen“ lautete das Motto des diesjährigen „Wir haben es satt!“-Kongresses, der vom 29. September bis 3. Oktober in der Emmaus-Kirche in Berlin-Kreuzberg stattfand. Mehr als 500 Teilnehmer kamen während dieser vier Tage zusammen, um neue Fragen und Forderungen an die Landwirtschaft zu stellen, die – so der Konsens – in der derzeitigen Form sozial und ökologisch nicht mehr tragbar ist. Das „M“ im Motto war bewusst groß geschrieben: Thema waren unter anderem die Machtstrukturen, die den Wandel zu einer nachhaltigen Landwirtschaft verhindern.

Die NaturFreunde sind im Trägerkreis des „Wir haben es satt!“-Bündnisses, das bereits seit sechs Jahren mit einer jährlichen Demonstration für eine bäuerliche, ökologischere und sozial gerechte Landwirtschaft eintritt. Der diesjährige Kongress war der zweite, den das Bündnis organisierte.


Deutlich wurde in den Diskussionen und Arbeitsgruppen, dass der Konsument nicht alles an der Kasse entscheiden kann, sondern dass die Rahmenbedingungen für eine ökologisch und sozial verträgliche Landwirtschaft und Ernährung von der Politik gesetzt werden müssen. Diese lässt sich aber immer mehr von Konzernen unter Druck setzen. Kees de Vries, CDU-Abgeordneter und Mitglied des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, äußerte beispielsweise ganz offen, er hätte sich zwar gerne dafür eingesetzt, dass ehemals öffentliches Land in Ostdeutschland nicht an meistbietende Investoren verkauft wird, die Agrarlobby sitze letztlich aber doch am längeren Hebel.

Alarmierende Zahlen
Seit Jahren kritisiert das Bündnis die fehlgeleitete Agrarpolitik, die sich den Interessen der exportorientierten Agrarindustrie beugt. Wenige große Betriebe wachsen immer weiter, viele kleine Betriebe müssen angesichts des harten Wettbewerbs die Hoftore schließen. Diese Tendenzen sind nicht neu, alarmierend waren aber die aktuellen Fakten und Zahlen: 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland gehören nicht mehr den Landwirten, die sie bewirtschaften. Hierzulande beherrschen fünf Konzerne rund 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels. Zehn riesige Lebensmittelkonzerne dominieren weltweit die Märkte. Und während es vor 75 Jahren in Deutschland noch 18.000 Mühlen gab, sind es derzeit noch etwa 200 Mühlen, mit noch weniger Inhabern. Beiträge wie der von Miriam Diaby/Diallo, einer Milcherzeugerin aus Burkina Faso, trugen dazu bei, das Problem im globalen Zusammenhang zu sehen. Sie berichtete, wie importiertes Milchpulver aus Europa den Markt in Burkina Faso verzerrt und das Überleben für einheimische Milcherzeuger immer schwieriger macht.

Es waren die Beispiele gelebter Alternativen, die Hoffnung gaben. Wie zum Beispiel die ökologisch-vegane Gemeinschaftsgärtnerei Wildwuchs e.V., die mittlerweile über 200 Menschen in der Region Hannover versorgt oder die Initiative 15th garden, ein syrisch-europäisches Netzwerk, das seit zwei Jahren urbane Gärten und Landwirtschaftsprojekte in und außerhalb Syriens unterstützt. Bei Exkursionen und praktischen Workshops konnten die Teilnehmer Initiativen kennenlernen, die neue Ansätze ausprobieren und sich über eigene Erfahrungen austauschen.

Mit der Demo geht es weiter …
Jochen Fritz, Leiter der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ und Organisator der „Wir haben es satt!“-Demonstration, zeigte sich nach den vier Tagen sehr zufrieden und machte deutlich, dass das Bündnis nun gestärkt weitermacht: „Wir wollen, dass die Agrarwende das zentrale Thema im Bundestagswahljahr wird, dafür gehen wir am 21. Januar 2017 wieder auf die Straße!“. NaturFreunde sind natürlich herzlich eingeladen, dabei zu sein.