Deckname „Betti Gerber“

Der NaturFreund Otto Kohlhofer kämpfte für die KZ-Gedenkstätte Dachau

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Am 5. Mai 1965 wurde die KZ-Gedenkstätte Dachau eröffnet. Ohne Otto Kohlhofer hätte es sie vermutlich nicht gegeben. Wer war dieser NaturFreund, der lange Jahre selbst in Dachau eingesessen hatte und schließlich als ehrenamtlicher Hüttenwart im Naturfreundehaus Klause am Schindergraben (N 70) einem Herzinfarkt erlag?

Otto Kohlhofer kam am 29. August 1915 in München-Neuhausen zur Welt. Er hatte fünf Geschwister, spielte Zither und Mandoline und hütet in den Ferien die Kühe der Großeltern in der Oberpfalz. Als 13-Jähriger begann er eine Lehre bei Rodenstock in München. Als es zu Entlassungswellen kam, die verbliebene Belegschaft auf Kurzarbeit gesetzt und von den Lehrlingen Akkordarbeit verlangt wurde, kam es zum Lehrlingsstreik. Ein Anführer war Kohlhofer. Doch der Streik scheiterte. Drei Wochen vor Ausbildungsende wurde er entlassen und schließlich auch der Berufsschule verwiesen – weil er dort gegen einen Nazi-Vortrag protestiert hatte.

Ende 1932 trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands bei. 1933 wurde seine Neuhauser Parteigruppe zerschlagen und Otto suchte Kontakt zu Antifaschisten. Gerade 18 Jahre alt, führte er nun eine Widerstandsgruppe in München-Neuhausen an, Deckname „Betti Gerber“. Doch auch dieses Engagement fand kein gutes Ende: Die Gruppe flog auf und Otto bekam zweieinhalb Jahre Einzelhaft in der Justizanstalt Amberg, zudem fünf Jahre „Ehrverlust“.

Nach der Haft – die lange Isolation hatte seine Gesundheit angegriffen – wurde er im Februar 1938 erstmals in das Konzentrationslager Dachau gebracht und schließlich in das Konzentrationslager Flossenbürg, wo er mehrmals in Lebensgefahr geriet. „Im März 1940 kam ich mit 43 Kilo wieder nach Dachau zurück. Wenn’s noch einige Wochen länger gedauert hätte, wären wir in Flossenbürg gestorben“, so Kohlhofer später. Im Januar 1945 wurde er entlassen und in ein sogenanntes Bewährungsbataillon der Wehrmacht im tschechischen Olomouc (Olmütz) eingezogen. Dort schaufelte er Panzergräben. Doch „zum Schluss haben sie mir eine Panzerfaust in die Hand gedrückt“, erzählte Kohlhofer. Er setzte sich ab und konnte sich bis in das bereits von der Roten Armee befreite Wien durchschlagen, wo ihm ehemalige Mithäftlinge halfen.

Nach dem Krieg spürt Kohlhofer Nazis auf

Literaturtipp
Christa und Peter Willmitzer: Deckname „Betti Gerber“; Allitera Verlag, München, 2006; ISBN 3865201830.

Auf abenteuerlichen Wegen zurück nach München gelangt, engagierte er sich für die KPD und bei der Gründung der Münchner Ortsgruppe der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“. Ab April 1946 spürte er für das „Ministerium für Sonderaufgaben“ Naziverbrecher auf, bis es politischen Gegenwind gab. Der frühere bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) urteilte damals: „Die Situation ist ungefähr die gleiche wie 1920/21, das alte Spiel der bayerischen Reaktion kann von vorne beginnen.“

Otto und sieben weitere Ermittler wurden im September 1946 aus politischen Gründen entlassen. Doch mutige Journalisten wie Herbert Gessner berichteten über diese politische Willkür und Kohlhofer bekam eine Anstellung im Bayerischen Landwirtschaftsministerium. Mehrfach erlebte Kohlhofer Polizeieinsätze bei politischen Veranstaltungen, wurde selbst zusammengeschlagen und verletzt, auch seine Wohnung wurde durchsucht. Die wieder härter gewordenen politischen Auseinandersetzungen griffen seine Gesundheit an: Vegetative Störungen stellten sich ein und in Angstträumen ging er immer wieder die Erlebnisse der Lagerzeit durch.

Otto Kohlhofer war auch Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau, die auf dem Gelände des Konzentrationslagers eine Gedenkstätte errichten wollte. Das Projekt war umstritten. Nachdem im Jahr 1957 der ehemalige Dachau-Häftling Alois Hundhammer (CSU) Landwirtschaftsminister wurde, kam es zu einem Gespräch zwischen Kohlhofer und Hundhammer, das die Wende brachte. Hundhammer stellte Otto frei, damit der sich voll auf die Gedenkstättenarbeit konzentrieren konnte. 1965 wurde die KZ-Gedenkstätte Dachau endlich eröffnet. Eine zusätzliche Begegnungsstätte für Jugendliche, für die Kohlhofer ebenfalls lange gekämpft hatte, eröffnete erst im Mai 1998. In seiner NaturFreunde-Ortsgruppe München Süd setzte er sich für Beteiligungen an Aktionen der Friedensbewegung ein, etwa die Menschenkette zwischen Stuttgart und Ulm gegen Raketenstationierungen oder der Ostermarsch 1986 in Wackersdorf.

Zusammen mit seiner Frau Resi organisierte er zudem NaturFreunde-Reisen innerhalb Europas, die dem Gedanken der Völkerverständigung gewidmet waren. Lange Jahre war er auch ehrenamtlicher Hüttenwart im traditionsreichen Naturfreundehaus „Klause im Schindergraben“ (N 70) im Isartal südlich von München und hatte dort immer wieder NaturFreunde aus ganz Europa zu Gast. Am 7. August 1988 ereilte ihn in der Klause ein Herzinfarkt. Sieben Tag später starb der Arbeiter, Antifaschist und NaturFreund Otto Kohlhofer.

Hans Greßirer
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 2-16.

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