EuGH-Urteil zum AKW Doel muss zur sofortigen Abschaltung führen

Zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Laufzeitverlängerung für belgische AKW erklärt Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands:

Mit seinem Urteil zum Atomkraftwerk Doel (Rechtssache C-411/17) hat der Europäische Gerichtshof zwar das belgische Gesetz zur Laufzeitverlängerung für die beiden Atomkraftwerksblöcke in Doel gerügt, die sofortige Stilllegung des AKW jedoch nicht angeordnet. Die belgische Regierung kann damit ihre unverantwortliche Atompolitik fortzusetzen.

Im Jahr 2003 hatte das belgische Parlament beschlossen, dass die beiden Atomreaktoren in Doel bereits ab 2015 schrittweise vom Netz gehen sollten. Mit dem Laufzeitverlängerungsgesetz im Jahr 2015 wurde dieses Gesetz revidiert und eine Laufzeitverlängerung für die Atomreaktoren in Doel bis zum Jahr 2025 beschlossen. Diese Laufzeitverlängerung wurde ermöglicht ohne jegliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).

Laufzeitverlängerung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung

Mit seinem Urteil hat der EuGH jetzt festgestellt, dass nach EU-Richtlinien zwingend eine UVP bei einem so weitreichenden Gesetz notwendig gewesen wäre, da das Projekt „hinsichtlich der Gefahren für die Umwelt ein Ausmaß hat, das dem der Erstinbetriebnahme dieser Kraftwerke vergleichbar ist“. Das Gericht urteilte auch, „dass die umfangreichen Arbeiten an den Kraftwerken Doel 1 und Doel 2, die deren Modernisierung und der Gewährleistung der Einhaltung der aktuellen Sicherheitsvorschriften dienen sollen, geeignet sind, sich auf den materiellen Zustand der betroffenen Gebiete auszuwirken“. Zudem legte der EuGH fest, dass aufgrund der Grenznähe zu den Niederlanden ein grenzüberschreitendes Prüfverfahren durchgeführt werden müsse.

Ist Belgiens Stromversorgung tatsächlich gefährdet?

Nicht nachvollziehbar ist, warum die EuGH-Richter urteilten, dass der belgische Gerichtshof festlegen könne, dass die beiden Hochrisikoreaktoren weiterhin im Betrieb bleiben dürfen, bis das jahrelange UVP-Verfahren abgeschlossen ist. Als Grund für diese Entscheidung wurde die „schwerwiegende Gefahr“ angenommen, dass die Stromversorgung des Landes unterbrochen werde.

Diese Sichtweise des EuGH ist in keiner Weise nachvollziehbar. Denn zum einen es gibt keinerlei Zweifel, dass eine objektive Umweltverträglichkeitsprüfung zeigen wird, dass die Reaktoren eine erhebliche Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Und zum anderen besteht aufgrund des europäischen Strommarktes keinerlei Gefahr, dass die Stromversorgung Belgiens bei Abschaltung der beiden Reaktoren gefährdet sein könnte. Auch in der Vergangenheit waren die beiden Skandalreaktoren bereits mehrere Male vom Netz genommen worden, ohne dass die belgische Stromversorgung gefährdet war.

AKW müssen vom Netz

Der EuGH hat sich mit dieser Ausnahmeregelung zum indirekten Lobbyisten für die unverantwortliche belgische Atompolitik gemacht, die immer wieder wahrheitswidrig behauptet, dass die Atomenergie notwendig für eine sichere Stromversorgung Belgiens sei. Mit der Ausnahmegenehmigung für die mit europäischem Recht nicht zu vereinbarenden belgischen Laufzeitverlängerung hat der EuGH die unverantwortliche Atompolitik Belgiens gestützt und die Gefahr für die Menschen in der Region weiter aufrechterhalten. Alle Beteiligten wissen seit Langem, dass diese AKW in den nächsten Jahren vom Netz müssen. Mit dem jetzigen Beschluss wurde dem belgischen Staat und der Gesellschaft Electrabel, der Eigentümerin und Betreiberin der Atomkraftwerke, die Möglichkeit eröffnet, die Atommeiler weiter zu betreiben.

Für die NaturFreunde Deutschlands ist klar: Aus dem EuGH-Urteil folgt, dass die Atommeiler in Doel sofort abgeschaltet werden müssen. Die belgische Regierung handelt unverantwortlich. Sie gefährdet Hunderttausende Bürger*innen in der gesamten Region und setzt sie einem unverantwortlichen Risiko aus. Die Fehler liegen bei den belgischen Regierungen der letzten Jahrzehnte, die es versäumt haben, eine nachhaltige Energieversorgungsstruktur für Belgien auf Grundlage von erneuerbaren Energien aufzubauen.

Bundesregierung könnte Stromlieferungen aus Deutschland garantieren

Die Bundesregierung sollte der belgischen Regierung ein Angebot unterbreiten, wie die sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke durch garantierte Stromlieferungen aus Deutschland gewährleistet werden kann. Denn die belgischen Atomkraftwerke sind hochgefährlich. In vielen Städten entlang der Grenze wurden bereits Jodtabletten für Störfälle eingelagert, da die Städte das Strahlenrisiko durch einen Unfall in den belgischen AKW für wahrscheinlich erachten.

Von der Bundesregierung fordern die NaturFreunde Deutschlands, endlich einen konsequenten Exportstopp für alle Brennelemente aus den Atomfabriken in Lingen und Gronau nach Doel und Tihange zu beschließen. Mit ihrer bisherigen rechtlichen Position trägt die Bundesregierung maßgeblich dazu bei, die belgischen Pannenmeiler weiterhin in Betrieb zu halten.

Hintergrund: Klagen belgischer Umweltverbände

Die beiden belgischen Umweltverbände „Inter-Environnement Wallonie“ und „Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen“ hatten beim belgischen Verfassungsgerichtshof Nichtigkeitsklage gegen das Gesetz über die Laufzeitverlängerung erhoben, weil die Verlängerung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit beschlossen worden war. In ihrer Klage beriefen sie sich auf das Übereinkommen von Espoo über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, das Übereinkommen von Aarhus über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten sowie auf die UVP-Richtlinie, die Habitat-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie. Der belgische Verfassungsgerichtshof hatte den Europäischen Gerichtshof um Auslegung dieser Übereinkommen und Richtlinien ersucht.
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