Vor 100 Jahren eröffneten die Bielefelder NaturFreunde eine Hütte im Teutoburger Wald
Natürlich wollten die Mitglieder des 1912 in Bielefeld gegründeten NaturFreunde-Vereins auch eine eigene Wanderhütte haben, am besten mitten im Wald. Geld war zwar keines da, aber Mut, viel Mut. Schon Weihnachten 1913 kaufte man ein Grundstück und Himmelfahrt 1914 wurde eine Hütte eingeweiht – ohne Anschlüsse für Wasser, Strom, Gas und Telefon, dafür mit 60 Lagerplätzen und einem Plumpsklo im Außenbereich.
Der Besuch auf Selbstversorgerbasis boomte, und die Hütte war schon bald zu klein. Im Jahr 1930 entstand deshalb ein Neubau mit schon 150 Schlafplätzen. Die NaturFreunde hatten jetzt auch ein WC im Haus und waren vom Lager in Betten umgestiegen. Aber nicht lange: Im Jahr 1933 warfen die Nazis die NaturFreunde raus und blieben bis 1945. Sie gingen dabei alles andere als pfleglich mit dem Haus um. Vier Jahre dauerte danach die Rückübertragung in das Eigentum der Bielefelder NaturFreunde.
Im Haus fand ich mein Mädchen
An der 100-jährigen Hausgeschichte habe ich 68 Jahre mitgewirkt und 37 Jahre auch Verantwortung getragen. Als 16-Jähriger lernte ich im Jahr 1946 bei der Neugründung den Verein und dann auch das Haus kennen. Bei der Silvesterfeier unserer Jugendgruppe im Jahr 1947 fand ich dort sogar ein Mädchen, mit dem ich heute 58 Jahre verheiratet bin. Wir blieben dem Haus bis ins hohe Seniorenalter eng verbunden und haben seine Höhen und Tiefen miterlebt: den rasanten Anstieg der Übernachtungen auf mehr als 14.000, Um- wie Anbauten, Auflagen von Behörden wie Brandschauen und Kanalanschluss, Ablehnung von Bau- und Zuschussanträgen, die Umstellung nach 40 Jahren Selbstversorgung auf volle Bewirtschaftung mit einer angestellten Heimleitung – und dann, 40 Jahre später, wieder zurück zur Selbstversorgung. 500.000 D-Mark kostete damals allein die damit einhergehende Modernisierung.
Heute ist das Naturfreundehaus Bielefeld also wieder ehrenamtlich geführt: ein zünftiger Wanderstützpunkt, kinderfreundlich und umweltverträglich: Diverse Anerkennungen, etwa als „Naturfreundehaus des Jahres“ im Jahr 2000 oder der erste Preis für Energieeffizienz beim „Klimawettbewerb“ im Jahr 2006 zeugen etwa von unserer Priorität für den Klimaschutz. Das begann mit der Ölkrise der 1970er Jahre – zwangsläufig. 22.000 Liter Heizöl verbrauchten wir damals, heute sind es gut 7.000. Alle Investitionen dazu haben sich amortisiert, etwa die 60 Doppelglasfenster, die Solaranlage oder der Heizkessel mit Brennwerttechnik. Sparbirnen reduzierten die Lichtleistung von 5.500 auf 2.200 Watt, die Durchlaufbegrenzer sparen 33 Prozent Wasser. Und zur NaturFreunde-Kampagne „100.000 Bäume für Europa“ pflanzten wir 3.600 Eichen.
Wim und Pieta: 1.000-mal gute Nacht
In unserem Naturfreundehaus tobt noch immer das Leben. Weil rund 75 Prozent der Übernachtungen auf Kinder und Jugendliche entfallen, werden wir zum 100-jährigen Jubiläum einen Infotag für Grundschullehrer und Kitabetreuer organisieren. Allein unsere Mitglieder schafften rund 10.000 Übernachtungen. Beliebt waren zum Beispiel unsere Oma-Enkel-Wochen, gar ein Renner wurden die Winterwochen für Senioren zu Weihnachten/Neujahr.
Beim Jubiläum werden wir Wim und Pieta
Konings aus den Niederlanden zur 1.000 Übernachtung in unserem Haus gratulieren. Warum jemand 1000-mal im selben Haus übernachtet? „Das hat drei Gründe“, sagt Wim: „Wir fühlen uns wohl in diesem Haus, die Region bietet zu jeder Jahreszeit viele Ausflugsmöglichkeiten und wir haben gute Freunde in Bielefeld.“ Sie werden also noch öfter kommen.
Mir geht es wie Wim und Pieta. Auch ich fühle mich wohl in diesem Naturfreundehaus mitten im Wald. Die rund 20 Wochen „Hüttendienst“ im Jahr sind zwar gelegentlich nervenaufreibend: Wenn Gäste das Klavier auf den Vorplatz schleppen oder sich nachts auf Waldwegen festfahren oder anfragen, ob sie als „Großfamilie mit sieben Personen allein im Haus sind und Fernseher auf den Zimmern haben, um den Kindern etwas Abwechslung zu bieten“ …
Doch meist macht ein Hüttendienst einfach nur Spaß. Trotzdem werde ich als nun schon 85-Jähriger zum 100-jährigen Hausjubiläum alle entsprechenden Aktivitäten aufgeben. Die Bielefelder NaturFreunde stehen damit vor der Herausforderung, ehrenamtlichen Ersatz zu finden. Das ist selbst bei 600 Mitgliedern alles andere als leicht. Mut braucht man eben auch heute.
Dieter Karaskiewicz
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNIDiN 1-2014 (S. 25)