Kritik an der Koalitionsvereinbarung

Ein Beschluss des 32. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands, der vom 25.–27. April 2025 in Kaiserslautern tagte

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Die Koalitionsvereinbarung bleibt weit hinter den Aufgaben unserer Zeit zurück. Sie orientiert sich am Status quo, nicht aber an einer Erneuerung und Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft. Tat­sächlich muss es um die sozial-ökologische Gestal­tung der Demokratie und um die Verwirklichung von mehr Demokratie und Beteiligung gehen. Dieser Her­ausforderung wird der Koalitionsvertrag nicht ge­recht.

Die aktuellen Ereignisse verunsichern viele Men­schen. Gerade in dieser Zeit der multiplen Krisen und politischer Umbrüche müssen die demokrati­schen Parteien alle Menschen beteiligen und ihre Themen ernst nehmen. Als NaturFreunde Deutsch­lands kämpfen wir für die Interessen der Menschen, für deren wirksame Beteiligung und für eine nach­haltige Zukunft.

Die NaturFreunde bestreiten nicht, dass der Ausgang der Bundestagswahl eine Regierungsbildung schwer­macht. Aber es gibt Herausforderungen, die weit über parteipolitische Fragen hinausgehen und eine konsequente Politik der sozial-ökologischen Gestal­tung der Transformation und für den Frieden in der Ukraine notwendig machen. Darum muss es heute gehen. Weil dies aber nicht geschieht, erklärt das auch den Wahlausgang und den erschreckenden Zu­wachs für die AfD. Von daher geht es um grundle­gende Herausforderungen für die Zukunft unseres Landes. Sie erfordern eine wirkliche Zeitenwende.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern von der neuen Bundesregierung insbesondere:

  1. Den Einsatz für eine europäische Sicherheitsar­chitektur: Es fehlt die Bereitschaft für eine Friedens­initiative, um eine gesamteuropäische Sicher­heitsarchitektur zu schaffen. Das Grundgesetz begrenzt die Bundeswehr auf „Verteidigung“, nicht auf „kriegstüchtig“. Doch die Politik bleibt Feindbildern verhaftet, statt zu einer neuen Frie­dens- und Entspannungspolitik zu kommen, die auf den Zielen der Helsinki-Akte und der Charta von Paris für ein neues Europa aufbaut. Aber nur so können wir zu Frieden, Rüstungsbegren­zung und Abrüstung kommen.
  2. Einen ökologischen und gerechten Klimaschutz: Beim Klimaschutz sind in der Koalitionsverein­barung große Leerstellen und Fehler, es bleibt vor allem bei einer preislichen Steuerung, ob­wohl der Klimaschutz einen Mix unterschiedli­cher Instrumente und Programme sowie mehr Demokratie und Beteiligung braucht. So aber werden die sozialen Unterschiede auch durch die Klimapolitik verschärft. Der entscheidende Schwachpunkt ist, dass der Schutz der Erdsys­teme weiterhin nicht im Zentrum einer mutigen Reformpolitik steht, um die Erderwärmung un­ter 1,8 Grad Celsius zu begrenzen und die Öko-Systeme zu schützen.
  3. Soziale und ökologische Modernisierung der Infra­struktur: Notwendig ist nicht nur eine Reparatur, sondern eine Modernisierung der gesamtgesell­schaftlichen Infrastruktur, um den sozialen, öko­logischen und demokratischen Anforderungen gerecht zu werden.
  4. Eine menschenwürdige Migrationspolitik: Es braucht sofort eine Abkehr von der Festung Eu­ropa und nationalen Grenzkontrollen – und statt­dessen ein Bleiberecht für alle Menschen. Des Weiteren fordern wir ein individuelles Asylrecht für alle Menschen unabhängig von deren Natio­nalität/Herkunft.
  5. Eine höhere und sanktionsfreie Grundsicherung: Finanzielle Sicherheit für alle Menschen und so­ziale Gerechtigkeit sind entscheidend für ein soli­darisches Miteinander und den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sind eine Grundlage einer starken Demokratie.
  6. Abschaffung der Schuldenbremse: Notwendige Investitionen in Bildung, Infrastruktur und die sozial-ökologische Transformation dürfen nicht aufgrund von ideologischer Austeritätspolitik ge­strichen werden.
  7. Ein Sondervermögen Demokratie: Es muss in die Demokratie investiert werden – im Rahmen eines Sondervermögens Demokratie.
  8. Wahlalterabsenkung im ersten Schritt auf 16 Jahre: Wirksame Beteiligung fängt beim Wahl­recht an. Alle jungen Menschen müssen wählen und sich zur Wahl stellen dürfen.
  9. Bekämpfung verteilungspolitischer Ungleichhei­ten: Die Koalitionsvereinbarung verändert nicht die verteilungspolitischen Ungleichheiten, die sich zunehmend in vielen Bereichen unserer Gesell­schaft zeigen, so im Wohnbereich, bei der Bil­dung und in den Sozialsystemen. So ist unsere Gesellschaft weder modern noch gerecht, sie ist nicht zukunftsfähig. Das gefährdet den sozialen Zusammenhalt.
  10. Gerechte Steuern: Vermögen ist in Deutschland sehr ungleich verteilt. Deshalb brauchen wir Fol­gendes: Eine gerechte Einkommenssteuer, die stärkere Besteuerung von Vermögen, eine Über­gewinnsteuer und auch die konsequente Besteu­erung von Erbschaften. Mittlere und niedrige Einkommen müssen entlastet und (Super-) Rei­che höher besteuert werden. Denn wer mehr verdient, muss auch mehr beisteuern!
  11. Die Einleitung des Verbotsverfahrens gegen die AfD: Wir müssen die Demokratie jetzt schützen. Die Bundesregierung muss daher unverzüglich die Prüfung eines Verbots der AfD beim Bundes­verfassungsgericht beantragen.
  12. Vielfalt stärken: Vielfalt stärken heißt Demokra­tie schützen. So ist die Teilhabe aller im Grund­gesetz verankert und muss dementsprechend gestärkt werden. Deshalb ist die Inklusion von Menschen mit Behinderung weiter voranzubrin­gen. Maßgebend ist hierfür die UN-Behinderten­konvention.
  13. Stärkung von Frauenrechten: Der Paragraf 218 muss endlich abgeschafft werden, um Frauen das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu gewährleisten. Frauen, die von Ge­walt betroffen sind – ebenso wie ihre Kinder – haben ein Recht auf sofortigen Schutz und müs­sen eine umfassende Unterstützung erhalten.
  14. Stärkung von Queerenrechten: Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechts­identität muss im Grundgesetz ausgeschlossen werden. Die Bundesregierung muss sich enga­giert gegen anti-queere Gewalt und Hetze einset­zen. Das Selbstbestimmungsrecht muss ausge­baut und erweitert werden. Auch das Abstam­mungsrecht braucht dringend Reformen – Dis­kriminierung hat hier keinen Platz!
  15. Die Einführung des Mietendeckels: Damit alle Menschen kostengünstigen Wohnraum bekom­men, fordern wir einen Mietendeckel. Des Wei­teren fordern wir den Stopp von Spekulation mit Wohnraum und Baugrund. Aus diesem Grund muss das kommunale Vorkaufsrecht gestärkt und ausgebaut werden. Auch ein Recht auf be­zahlbares Wohnen muss eingeführt werden.
  16. Massive Investitionen zum Schutz und zur Stär­kung von Demokratie und unserer Zivilgesell­schaft beinhalten für junge Menschen insbeson­dere folgende Maßnahmen:
    • Ergänzend eine Ausfinanzierung von zentralen Bundesprogrammen zur Extremismuspräven­tion und Demokratieförderung, wie die der Bundeszentrale für politische Bildung, „Demo­kratie leben!“ und „Zusammenhalt durch Teil­habe“, welche den Herausforderungen an­gemessen zu gestalten sind.
    • Einen Rechtsanspruch auf Freiwilligendienste, damit sich mehr Menschen aus eigenem An­trieb und aus freien Stücken für ein gesell­schaftliches Engagement entscheiden und so­mit selbstbestimmtes Engagement und Lernen verbinden können.
    • Ein Investitionsprogramm für gemeinnüt­zige Freizeit- und Übernachtungsstätten, um insbesondere verbandseigene Bildungsstät­ten, an denen internationale Arbeit, politi­sche Bildung, Erholung, demokratische Wil­lensbildung durch Gremienarbeit und viel­fältiges weiteres Engagement stattfindet, zu erhalten.
  17. Die Europäische Union demokratisieren: Es wer­den keine mutigen Initiativen entwickelt, damit die Europäische Union demokratischer, sozialer, friedlicher und nachhaltiger wird. Die EU hat keine gute Zukunft, wenn sie sich in ihrer „Außen­politik“ den Interessen der NATO unterordnet, statt Vorreiter für die Idee eines neuen Fort­schritts für die globale Welt zu sein. Wir treten für ein Europa der Menschenrechte, der Freiheit und der Gleichheit ein.

Die NaturFreunde wollen zusammen mit anderen Verbänden ein Manifest erarbeiten, um die nationa­listische, rechtsextreme Politik, die die Gesellschaft und die Demokratie gefährdet, zu bekämpfen.

www.bundeskongress.naturfreunde.de