Die NaturFreunde München produzieren ihre eigene Radiosendung

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Der Weg zur öffentlichen Wahrnehmung ist oft weit. Für kritische Verbände wie die NaturFreunde ist es meistens schwierig bis unmöglich, mit ihren Themen ins Radio zu kommen und sei es auch nur für eine kurze Erwähnung. Das ist in München genauso wie anderswo. Aber hier gibt es einen nahe liegenden Ausweg: um ins Radio zu kommen, muss man keinen eigenen Sender kaufen und auch keinen neu aufbauen, denn es gibt bereits einen: ein Bürgerradio.

Der Beginn

In München heißt das Bürgerradio Radio Lora München. Das ist seit seiner Gründung vor 25 Jahren ganz schön gewachsen und zählt heute über 100 ehrenamtliche Redaktionen. Und ist nach seinem Selbstverständnis Teil der Gegenöffentlichkeit.

Das war also die Chance die Inhalte der NaturFreunde-Bewegung ins Radio zu bringen. Es fanden sich einige aktive NaturFreund_innen zusammen und beschlossen, eine erste Sendung zu wagen. Da die allgemein als gelungen empfunden wurde, gab es dann auch einen regelmäßigen Sendeplatz für die neu gegründete Redaktion: einmal jeden zweiten Monat kann sie eine ganze Stunde gestalten.

Seitdem produzieren die Aktiven regelmäßig Sendungen zu Themen, die NaturFreunde und gesellschaftspolitisch fortschrittliche Hörer_innen interessieren – oder interessieren könnten. Gemeinsames Ziel der Redaktion ist, durch interessante Sendungen andere Hörer_innen anzusprechen.

Die erste Sendung im Mai 2016 war ein Portrait von Münchener NaturFreunden im Widerstand gegen den Faschismus. Die Namen, die hier genannt wurden, wecken bei älteren Mitgliedern auch heute noch Erinnerungen, so zum Beispiel der Name Otto Kohlhofers. Bei jüngeren Leuten ist das eher weniger der Fall, sie kennen allenfalls das Naturfreundehaus Schindergraben, mit dem der Name Kohlhofer eng verbunden ist. Seitdem gab es bislang lediglich eine weitere Sendung, die einem Einzelthema mit NaturFreunde-Bezug gewidmet war: die Sendung im April 2017 beschäftigte sich ausschließlich mit dem 30. Bundeskongress der NaturFreunde und dessen Hauptredebeiträgen. In beiden Fällen war die Redaktion der Meinung, dass die Themen gleichermaßen für Mitglieder und Nicht-Mitglieder hörenswert seien.

Für wen ist die Sendung eigentlich?

Im Übrigen versuchen die Aktiven in der Redaktion zu vermeiden, zu stark „um den eigenen Nabel zu kreisen“, denn nicht jeder Bericht, in dem NaturFreunde-Aktivitäten von NaturFreunden geschildert werden, ist automatisch schon für Außenstehende interessant und anziehend. Aber tatsächlich berührt dies genau eine Frage, über die es im Redaktionsteam auch immer wieder zu Diskussionen kommt. Zugespitzt lautet sie: Machen die NaturFreunde Radio für außen – oder für innen? Sollen Hörer_innen als Mitglieder gewonnen werden oder wollen wir Mitglieder zu Hörer_innen machen?

Zum Glück enden diese Diskussionen aber immer wieder einvernehmlich; beide Alternativen sind wichtig, und schließen sich nicht wirklich aus – alles eine Frage der Balance.

Primäres Ziel ist es, in einer Öffentlichkeit, die sich für die angesprochenen Themen interessiert, Resonanz zu finden, bekannter zu werden und Hörer_innen für Veranstaltungen im Umfeld der NaturFreunde-Bewegung zu interessieren.

Aber es ist natürlich auch wichtig, das Ohr von Menschen zu finden, die bereits Mitglied sind. Die NaturFreunde-Redakteur_innen sind davon überzeugt, dass eine solche „NaturFreunde-Sendung“ einen Beitrag leisten kann, die Profilierung und den Zusammenhalt der Münchener NaturFreunde zu verstärken. Man kann aber auch nicht ganz ausschließen, dass der eine oder die andere mit dem Bürgerradio Lora nicht viel anfangen kann; die zahlreichen Musiksendungen anderer Redaktionen bedienen recht unterschiedliche Geschmacksrichtungen, und die politischen Redaktionen sind eigentlich alle eher links und damit auch nicht nach jedermanns Geschmack. Insgesamt bilden die über 100 Redaktionen bei Lora eben einen bunten Flickenteppich, zu dem das Team der NaturFreunde München einige rote und grüne Farbtupfer beisteuert.

Ein Vorteil

Mit der NaturFreunde-Sendung bei Radio Lora wollen die aktiven NaturFreund_innen einen Beitrag dazu leisten, die Ideen der NaturFreunde in der großstädtischen Community bekannt zu machen und sie als Teil des fortschrittlichen Spektrums Münchens darzustellen. Die NaturFreunde sind nicht der einzige Umweltverband, der in Radio Lora Umweltthemen bearbeitet. Auch Umweltverbände, wie zum Beispiel der Bund Naturschutz oder Greenpeace, unterhalten Redaktionen bei Radio Lora.

Und da es bei allen Aktivitäten, die nicht im Mainstream schwimmen, darauf ankommt, durch Bündnisse oder Kooperationen der eigenen Sache mehr Gewicht zu verleihen, spiegelt sich das auch in der Zusammensetzung der Sendungen der NaturFreunde Münchens wider.

Beispiele

Ein Beispiel: In Bayern wurde ein Volksbegehren ins Leben gerufen, das sich gegen den viel zu hohen Verbrauch an Flächen wehren will, „Betonflut eindämmen“. Das Volksbegehren wurde von zwei Parteien gestartet: von Bündnis 90/Die Grünen und der ÖDP. Die NaturFreunde Bayern und auch die NaturFreunde München unterstützen dieses Begehren trotz einiger Kritik daran, da es ein wichtiges Thema in den Fokus der Politik bringt. Um das Volksbegehren zu unterstützen, haben der Bezirk München und der Landesverband der NaturFreunde Bayerns eine Podiumsdiskussion zum Thema organisiert und durchgeführt.

Auf dem Podium saßen neben dem Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde, Uwe Hiksch, und anderen auch ein Vertreter vom Bund Naturschutz Bayern. Die Podiumsdiskussion lieferte der Redaktionsgruppe gleich zweimal Material für eine Sendung: vor der Podiumsdiskussion sendete sie ein Interview mit der Bundesfachgruppenleiterin Natur- und Umweltschutz der NaturFreunde Deutschlands, Christine Eben, um zur Veranstaltung einzuladen; in der Sendung danach, als die Podiumsdiskussion vorüber war, wurden Mitschnitte aus der Diskussion gebracht, bei denen vor allem Uwe Hiksch zu Wort kam und die Sache aus Sicht der NaturFreunde auf den Punkt brachte.

Anderes Beispiel: die Luftqualität in München. Hier gibt es ein lokales Bündnis, dem die NaturFreunde des Bezirks München angehören. Was liegt also näher, als dazu eine Sendung zu machen, in der Sprecher_innen des Bündnisses interviewt wurden und weitere Pläne des Bündnisses erläutern konnten. Die Redaktion nutze die Gelegenheit, die Messaktivitäten der NaturFreunde München in Sachen Feinstaubkonzentration vorzustellen und darauf hinzuweisen, dass bei den NaturFreunden Messgeräte ausgeliehen werden können.

Aber natürlich steht manchmal auch die Selbstdarstellung der NaturFreunde im Vordergrund einer Sendung. Etwa im Juni 2017. Der gemeinsame Nenner der Beiträge war das Bootshaus. Das Bootshaus ist das Vereinslokal der NaturFreunde im Bezirk München und besitzt einen schönen Biergarten mit Spielwiese. Folglich ging es in der Sendung um die neu gegründete Kinder- und Spielgruppe, die sich auf dem Vereinsgelände trifft und immer mehr Zulauf erhält. Aber auch um das monatlich stattfindende gut besuchte Reparatur-Café der NaturFreunde. Dieses Reparatur-Café wird sehr gut angenommen und spricht viele Interessierte auch außerhalb der NaturFreunde an. Und es ging um den Bau von Insektenhotels mit Kindern und Jugendlichen, und um die (Honig-)Bienenvölker, die auf dem Gelände stehen und öffentlich – gewissermaßen unter den Augen der Biergartenbesucher – betreut werden.

Lohnt sich der ganze Aufwand?

Alle Sendungen werden von der Redaktion vorproduziert. Dadurch entsteht Aufwand nicht nur bei der Vorbereitung der Sendung, bei den Aufnahmen selbst und den Interviews, sondern es muss auch ziemlich viel Zeit vor dem Schnittcomputer eingesetzt werden, damit die Sendung spannend und abwechslungsreich wird. Dieser Aufwand ließe sich deutlich verringern, wenn mehr Live-Beiträge gesendet würden. Die Redaktion diskutiert diese Möglichkeit schon lange und sieht hier noch Luft nach oben.

Lohnt sich der ganze Aufwand? Die Aktiven führen keine Statistik darüber, wie oft sich jede_r von ihnen schon diese Frage gestellt hat. Das Medium Rundfunk besitzt eben keinen Rückkanal – so erfahren die Aktiven nur sehr selten, was die Hörer_innen von einer Sendung halten, was sie gut fanden und was sie weniger geschätzt haben. Und wer greift schon nach einer Sendung zum Telefonhörer, um seine Meinung mitzuteilen. Dies kommt nur dann vor, wenn in einer Sendung ein sehr kontroverses Thema aufgegriffen wurde.

Alle Sendungen können auf der Website des Bezirks München nachgehört werden. Auch gibt es die Möglichkeit, der Redaktion per Mail die Meinung zu sagen. Leider wird das bisher zu selten genutzt.

Noch ein Vorteil

Ein weiterer Vorteil scheint zu sein, dass die Redakteur_innen durch die Produktion und Konzeption der Sendungen auch einen kritischeren Blick auf die Aktivitäten entwickeln, über die sie berichten.

Gleichzeitig führt die Arbeit für Radio Lora zu einer immer besseren Vernetzung mit anderen Gruppen und Aktiven. Die damit verbundene Öffnung nach außen ist wohl auch die Voraussetzung, neue Aktive und Mitglieder für die NaturFreunde zu gewinnen.

Die Redaktionsmitglieder sind der Meinung, dass die NaturFreunde in ihrer Arbeit als fortschrittlicher Freizeitverband eine wichtige gesellschaftliche Funktion wahrnehmen. Es ist die Mischung aus Freizeit und Sport, Umwelt- und Gesellschaftspolitik, die in der heutigen durchkapitalisierten Welt einen wichtigen Beitrag für gesellschaftliche Veränderungen leisten kann. Die NaturFreunde-Redaktion bei Radio Lora sieht sich als Teil der fortschrittlichen Bewegung in München und versucht, durch ihre Arbeit die Aktivitäten der NaturFreunde München zu bereichern. Gemeinsam wollen sie dazu beitragen, dass sich die NaturFreunde in München als attraktiver Natursportverband und gesellschaftspolitischer Akteur weiterentwickeln können.

Potenzial: Synergie

Nicht nur in München gibt es solche Bürgerradios, sondern in vielen Städten und Regionen. Die NaturFreunde-Redaktion von Radio Lora hilft anderen NaturFreunde-Gruppen gerne dabei, Ideen für ein NaturFreunde-Radio in ihren Regionen anzustoßen und erste Tipps für die Umsetzung zu geben. Mittelfristig könnten dann die Redaktionen ihre Beiträge austauschen und so bundesweit die Idee der „NaturFreunde-Radios“ noch interessanter und abwechslungsreicher gestalten. Und gleichzeitig könnte so viel Synergie geschaffen werden und der Aufwand für die Produktion von spannenden Sendungen für alle verringert werden.

Die NaturFreunde-Sendungen von Radio Lora findet Ihr hier:

www.naturfreunde-bezirk-muenchen.de/naturfreunde-bezirk-muenchen/aktivitaeten/radio-lora/

Theo Strottner
NaturFreunde Bezirk München