Tschechisches Energieprogramm muss grundlegend überarbeitet werden

Geplante Erhöhung der Atomstromproduktion auf 50 Prozent ist unverantwortlich

Im Rahmen des grenzüberschreitenden Strategischen Umweltprüfungsverfahrens (SUP) haben die NaturFreunde Deutschlands eine umfangreiche Stellungnahme zur „Aktualisierung der staatlichen energetischen Konzeption der Tschechischen Republik 2013“ vorgelegt (vollständige Version: www.kurzlink.de/NFD-SUP-ATOM-CZ). Dazu erklärt Uwe Hiksch, Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands:

Die NaturFreunde Deutschlands lehnen die „Aktualisierung der staatlichen energetischen Konzeption der Tschechischen Republik“ in weiten Teilen ab. Denn dieses Konzept geht von der langfristigen Nutzung der Atomenergie sowie der klimaschädlichen Kohleenergie aus und stellt eine unverantwortliche Bedrohung für die Menschen in der Tschechischen Republik, aber auch allen angrenzenden Nachbarländern dar.

Konkret plant die tschechische Regierung, den Atomstromanteil an der Bruttostromproduktion bis zum Jahr 2040 auf 49–58 Prozent zu erhöhen und will zudem an der Kohleverstromung langfristig festhalten. Beide Ansätze sind das Gegenteil eines ökologischen oder gar nachhaltigen Energiekonzeptes.

Die NaturFreunde Deutschlands kritisieren auch, dass fast alle strategischen Papiere, auf die sich das tschechische Energieprogramm bezieht, nicht in deutscher Sprache vorgelegt wurden. Damit liegt nach den SUP-Richtlinien ein schwerer Formfehler vor. Zudem fehlt im vorgelegten Evaluierungsbericht die Übersetzung ganzer Kapitel. Allein schon aufgrund dieser schweren Verstöße gegen die SUP-Richtlinien fordern die NaturFreunde Deutschlands eine Wiederholung der grenzüberschreitenden Umweltprüfung.

Grundsätzlich aber trifft die „Aktualisierung der staatlichen energetischen Konzeption der Tschechischen Republik“ falsche industrie- und energiepolitische Annahmen. Das Ziel einer zukunftsfähigen tschechischen Industriepolitik kann nicht die Option „mehr Energieverbrauch“ sein, sondern im Gegenteil die Förderung von Energieeffizienz, Energieeinsparung und dem Ausbau der regenerativen Energien.

Die NaturFreunde kritisieren an dem vorgelegten energiepolitischen Programm:

> die Annahme, dass der Stromverbrauch in der Tschechischen Republik wachsen wird und dass die Potenziale von Energieeinsparungen und Energieeffizienz nicht in ausreichender Weise gewürdigt werden;

> das Konzept der zentralistischen Energieerzeugungsstruktur, das eine wirksame und innovative Energieeinsparungsstrategie verhindert und stattdessen Energieverschwendung fördert;

> die Ausrichtung der Tschechischen Republik als Energietransitland inklusive des Ausbaus der entsprechenden nationalen Energienetze, der nicht nur die Landschaft durch die notwendigen Hochspannungstrassen zerstört, sondern auch die Ausrichtung der tschechischen Netzinfrastruktur an die Anforderungen einer dezentral organisierten ökologischen Energiewende erschwert;

> dass die energiepolitischen Debatten der letzten 20 Jahre nicht zur Kenntnis genommen wurden und tschechische Atomkraftwerke trotz der GAU in Tschernobyl und Fukushima einfach als sicher erklärt werden;

> die Chancen einer dezentralen, ökologischen und nachhaltigen Energie- und Wärmeproduktion für die tschechischen Haushalte und die nationale Wirtschaft durch erneuerbare Energien weitgehend ausgeblendet werden und die Chancen im Bereich der Wertschöpfung und der Entwicklung eines zukunftsfähigen, mittelständisch geprägten Wirtschaftszweiges im Bereich der Herstellung, Wartung und des Baus von dezentralen Energieerzeugungsanlagen mit erneuerbaren Energietechniken sträflich verkannt werden;

> dass einerseits die Marktorientierung der Energiepolitik betont wird, andererseits die marktwirtschaftlichen Mechanismen im Bereich der Kohlestromerzeugung und der Atomenergie aber komplett ausgeklammert werden – schließlich wäre die Fokussierung auf die Atomstromproduktion ohne die marktbeherrschende Stellung des Staatskonzerns CEZ nicht möglich. Insofern geht die Konzeption in ihren Grundlagen bereits von völlig falschen Grundannahmen aus;

> dass das erklärte Ziel, einen möglichst hohen Anteil der Stromproduktion aus einheimischen Quellen zu erreichen, durch die vorgelegten Planungen konterkariert wird: Die Atomtechnologie inklusive der Ersatzteillieferungen macht die Tschechische Republik von staatlich dominierten Konzernen anderer Länder abhängig. Das Setzen auf die Atomkraft führt deshalb genau zum Gegenteil einer eigenständigen Energieerzeugung.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------

4.539 Zeichen mit Leerzeichen – freigegeben

Rückfragen bitte an

NaturFreunde Deutschlands

Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur

Uwe Hiksch

Mitglied des Bundesvorstands

(0176) 62 01 59 02

hiksch@naturfreunde.de 

www.presse.naturfreunde.de