Bericht: Skitourenwoche im Gran-Paradiso-Gebiet

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Flexibilität, Zusammenhalt, Entbehrung, Zurückhaltung und persönliches Können waren wichtige Eigenschaften, die die Teilnehmer bei der diesjährigen Skitourenwoche "von Hütte zu Hütte" aufbringen mussten.

Zehn Teilnehmer der NaturFreunde Deutschlands trafen sich am 3. April im Tal „Remes Notre Dame“, obwohl der Wetterbericht und die Lawinensituation im Vorfeld nichts Gutes versprachen. Zuerst galt es, den Aufstieg zur Rif Benevolo mit der gesamten Ausrüstung zu bewältigen. Dort wollten wir uns akklimatisieren, um den Gran-Paradiso gut vorbereitet besteigen zu können.

Der Hüttenwirt hatte die Buchung verschlampt

Bei leichten Nieselregen mussten wir dann feststellen, dass bereits fünf Kilometer vor Erreichen des geplanten Ausgangspunktes die Straße aufgrund der hohen Schneemassen gesperrt war. Nach einem dreistündigen Anstieg erreichten wir die Rif Benevolo und trockneten unsere nasse Ausrüstung an dem kleinen Ofen in der Hütte. Dann wurde uns jedoch plötzlich vom Hüttenwirt mitgeteilt, dass wir auf der Hütte nicht übernachten konnten. Er hatte unsere Anmeldung nicht berücksichtig .. 

Also wechselten wir im dichten Nebel zur etwa 15 Minuten entfernten „Alp du Fond“. In dieser einfachen Hütte waren bereits acht englische Skitourengeher untergebracht. Senner „Mustafa“ gab jedem unter den gegebenen Umständen ein Bett und zauberte zusätzlich auch noch ein Abendessen auf die Schnelle hervor. Es wurde einer der lustigen und schönsten Hüttenabende, den keiner so schnell vergessen wird.

Am folgenden Tag beschlossen wir den Übergang in das benachbarte Tal „Valsavarenche“ über das Col Basei zur Rif Chivasso, da die Wetteraussichten für diesen Tag noch brauchbar sein sollten. Nach kurzem Aufstieg unter blauem Himmel wurde die Sicht immer schlechter und nach wenigen Höhenmeter standen wir plötzlich im dichten Nebel mit Schneefall. Orientierungwar nur noch mit GPS möglich. Unterhalb des Col trafen wir deshalb die Entscheidung umzudrehen. Es gab einfach keine Anhaltspunkte, wie sich auf der anderen Seite die  Schneebedingungen und vor allem die Schneemengen an den steilen Hängen entwickelt hatten.

GPS-gestützte Abfahrt im Nebel

Die Abfahrt im Nebel mit GPS funktionierte hervorragend. Weil wir aber nicht wieder einen Tag auf der Hütte bleiben wollten, um am nächsten Tag abzufahren – weiterhin war schlechtes Wetter angesagt –, entschlossen wir uns, gleich zurück ins Tal zu den Fahrzeugen zu fahren.

Das war unser Plan: Mit den Autos ins „Valsavarenche“ fahren, um dort im Tal zu übernachten und am folgenden Tag zur Rif F. Chabod aufzusteigen. Unter Regen, ab 2.000 m mit leichtem Schneefall und Nebel, wurde beim Aufstieg zur Rif F. Chabod allerdings erneut die Qualität unsere Goretex-Ausrüstung getestet. Vom Gebirge hatten wir bishernur wenig gesehen und hofften, dass das Wetter sich am Mittwoch bessern würde, so dass wir endlich den Gran Paradiso angehen konnten.

"Nun ist es vorbei, dachte ich mir"

Nach einem guten Frühstück ging es morgens um 7:15 Uhr endlich los. Auf dem Ghiacciaio di Laveciau wurde angeseilt, da Nebel bereits wieder die Orientierung erschwerte. Auf einer Höhe von 3.700 m schränkte der Nebel die Sichtbedingungen dann derart ein, dass selbst die einheimischen Bergführer Schwierigkeiten hatten, den Weg zu finden. Nun ist es vorbei, dachte ich mir, aber plötzlich wurde es etwas heller und wir konnten die alten Aufstiegsspuren aus den Vortagen erkennen und weiter zum Gipfel spuren.

Am Skidepot wurden die Steigeisen für den weiteren Anstieg zu Fuß angezogen. Unter leichter Kletterei erreichten schließlich alle zehn Teilnehmer den Gipfel Madonna des Gran Paradiso auf 4.061 m. Erst jetzt bemerkte ich, dass keine der anderen Seilschaften den Anstieg zum Gipfel unternahm, sondern alle sich sofort auf die Abfahrt begaben. Immerhin waren die Aufstiegspuren noch zu sehen und wiesen die Abfahrtsroute.

Die Sicht in der Abfahrt war genauso schlecht wie im Aufstieg und am Gipfel – mehr oder weniger gleich Null. Der pulvrige Gipfelhang wurde in Pflugbögen und engen Abständen abgefahren, was sehr viel Disziplin und Konzentration von allen abverlangte. Auf 3.700 m wurde wieder angeseilt, denn nun lag der spaltenreiche Gletscher vor uns. Das angeseilte Umfahren der Spalten war eine Erfahrung für sich, denn wenn jemand in der Seilschaft stürzt oder sich im Seil verhängt, müssen die anderen sofort reagieren und stehen bleiben.

Die letzten 500 Höhenmeter wurden dann zum Spaß

Die meisten Seilschaften fahren deshalb zur Rif Emanuele II ab, da auf diesem Weg nicht mit Seil abgefahren werden muss. Je tiefer wir kamen, desto besser wurden die Sicht- und Schneeverhältnisse. Die letzten 500 Höhenmeter zur Hütte wurden dann sogar noch zum Spaß, denn der weiche Schnee ließ alle Schwungformen und Schwungradien zu. Beim Gegenanstieg zur Hütte am späten Nachmittag kam dann auch bei dem einen oder anderen sogar noch das  T-Shirt zum Vorschein. Das Hauptziel, die Besteigung des Gran Paradiso, war nun für alle erreicht.

Zum Abschluss wollten wir am Donnerstag noch die Becca di Montandeyne (3.840 m) besteigen. Bei besten Wetter waren wir schnell am Fuß des Col de Bonney, das sich jedoch als extrem steil herausstellte. Die objektiven und subjektiven Gefahren, über Felsen abzurutschen und sich zu verletzen, waren zu groß. Wir trafen deshalb den Entschluss, über den Gran Neron zurück ins Tal abzufahren. Dazu wurde eine längere Pause in der Sonne genutzt, um die schönen Berge des Gran Paradiso endlich mal anzuschauen. Bei Firn war die Abfahrt über die idealen Skihänge dann noch ein richtiger Genuss.

Somit endete die Skitourenwoche "con Hütte zu Hütte" und die Besteigung des Gran Paradiso für jeden mit einem: „Ja, ich habe es geschafft und kann stolz sein, den Entbehrungen und den immer wieder neuen Herausforderungen standgehalten zu haben“.

Sepp Hümmer
Bundeslehrteam Bergsport

Weitere Bilder

Skitouren von Hütte zu Hütte 2016 Gran Paradiso Galerie

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