„Der Umweltschutz darf nicht an der Stadtgrenze enden"

Wie sich die schleswig-holsteinische Stadt Preetz für die biologische Vielfalt einsetzt

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Herr Birk, Sie leiten das Umweltamt der Stadt Preetz. Wie kann man sich Ihre Naturschutzarbeit vorstellen?

Jan Birk: Die Naturschutzarbeit basiert auf dem Landschaftsplan, der Tiere und Pflanzen im Gemeindegebiet dokumentiert. Dabei stehen acht Tiergruppen im Fokus statt der üblichen vier, nämlich auch Heuschrecken, Libellen, Tag- und Nachtfalter. Unter anderem auf dieser Grundlage planen wir dann städtische Naturschutzflächen oder die bauliche Entwicklung in Preetz.

Preetz ist Mitglied des Bündnisses Kommunen für biologische Vielfalt. Warum?
Wir fragten uns, wie wir die biologische Vielfalt noch mehr fördern können. Dabei stießen wir auf drei Herausforderungen: Erstens wissen wir grundsätzlich nie genug, das entsprechende Wissen ist zweitens nicht so leicht zugänglich und drittens gibt es in Gemeinden oft praktische Hindernisse bei der Umsetzung, von denen die Wissenschaft nichts ahnt. Deshalb schließen sich Gemeinden im Bündnis Kommunen für biologische Vielfalt zusammen, um gemeinsam besser und leichter voranzukommen.

Der Agraringenieur und NaturFreund Jan Birk (60) leitet das Umweltamt der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Preetz. Die frühere Schuhmacherstadt hat 16.000 Einwohner und liegt im Landkreis Plön.

Preetz hat eine lokale Biodiversitätsstrategie. Wer ist vor Ort beteiligt?
Die Naturschutzverbände haben natürlich mitgearbeitet, auch ein Naturkindergarten und die Imker sind aktiv. Im letzten Jahr war Preetz die „bienenfreundlichste Stadt“ in Schleswig-Holstein. Dabei hatten wir nicht ein einziges Projekt, das die Förderung speziell der Bienen zum Ziel hatte. Die haben einfach grundsätzlich von unserer Naturschutzarbeit profitiert.

Gibt es weitere Erfolge?
Wir konnten Amphibienarten ansiedeln, auch Libellen, und haben nun mehr arten- und strukturreiches Grünland, auch dank der Zusammenarbeit mit einem örtlichen Bauern. Zusammenarbeit ist also – fast – alles. Allerdings darf der Schutz der biologischen Vielfalt nicht an der Stadtgrenze enden. Auch darum steht die Stadt Preetz hinter der Mitgliedschaft in diesem Bündnis.
 

Das Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ ist ein Zusammenschluss von aktuell 126 im Naturschutz engagierten Kommunen, die eine Vision von „grünen Kommunen als hochwertigen Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen“ teilen. Das Bündnis will die Bedeutung von Natur im unmittelbaren Lebensumfeld des Menschen stärken, dient den Kommunen zum Informationsaustausch und unterstützt sie bei der Öffentlichkeitsarbeit. Auch Fortbildungsangebote für Verwaltungsangestellte sowie gemeinsame Aktionen und Projekte stehen auf der Agenda.

Was tut Ihre Stadt gegen das Insektensterben?
Wir verdanken den Preis der bienenfreundlichsten Stadt in erster Linie der naturnahen Pflege unserer Grünflächen. Wir haben zum Beispiel Parks, die wir nur einmal im Jahr mähen, das Blütenangebot ist groß. Fast 100 Hektar stadteigene Naturschutzflächen werden nur beweidet oder überhaupt nicht genutzt. Zudem legen wir Nistmöglichkeiten für Insekten im Sand oder Stein an und lassen auch Totholz stehen. Wir verzichten auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln – mit zwei Ausnahmen. Auch in den Pachtverträgen für städtische Flächen schließen wir diese aus. Das kann übrigens jede Gemeinde. Würde sich das herumsprechen, sähe es für die Insekten besser aus. Für uns sprechen die vielen Schwalben in der Stadt.

Und wie steht es mit der Vorsorge gegenüber dem Klimawandel?
Preetz hat 2016 ein Klimaschutzkonzept aufgestellt und 2017 eine Klimaschutzmanagerin angestellt, um die zahlreichen Vorschläge umzusetzen. Als größtes Einzelprojekt versuchen wir gerade eine 100 Prozent regenerative Wärmeversorgung für 3.000 Einwohner hinzubekommen.

Wurde der Naturschutz auch als politisches Feld gestärkt?
Der Naturschutz hat bei uns eine starke Position. Andere Gemeinden würden sich die sicherlich wünschen. Tatsächlich aber prüfen wir gerade, einen neuen Landschaftsplan aufzustellen. Der Alte ist aus dem Jahr 2003 und damals wurde der dramatische Artenschwund noch nicht mitgedacht. Allerdings ist so ein Landschaftsplan eine große Sache und hat erfahrungsgemäß eine Bearbeitungsdauer von fünf Jahren. Im Gespräch mit Beteiligten hilft uns der politische wie fachliche Rückhalt im kommunalen Bündnis für biologische Vielfalt sehr.

Interview: Eckart Kuhlwein