Gemeinsame Sicherheit ist die einzige Option für den Frieden

Ein Standpunkt von Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands

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Der barbarische Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine droht uns in die Welt des Wettrüstens und des Kalten Krieges zurückwerfen. Wir brauchen jetzt einen Stopp des Krieges. Und wir brauchen eine neue Friedens- und Entspannungspolitik. Ja, gerade jetzt.

Der Ukraine-Krieg ist grausam: Tausende Menschen sind bereits gestorben, Millionen auf der Flucht. Die Not und das Leid sind unermesslich. Das schreckliche Gespenst des Krieges ist wieder über Europa gekommen. Und es kann die ganze Welt in Brand setzen.

Die Welt hat sich radikal verändert, das fast Unvorstellbare ist wieder da: die Gefahr eines Dritten Weltkriegs. Wladimir Putin hat die alte Welt in die Luft gesprengt. Kommt nun ein neuer Kalter Krieg, aber an zwei Fronten, nämlich Russland und China? Oder ist eine Welt der gegenseitigen, der gemeinsamen Sicherheit noch möglich?

Die Statik von Frieden und Sicherheit neu zu bestimmen, ist im Atomzeitalter die einzige Option der Vernunft. Ein Waffenstillstand und die Neutralität der Ukraine wären erste Schritte. Hierfür Druck zu machen, ist die Aufgabe aller Vertreter*innen der Vernunft. Auch wir NaturFreunde wollen dazu beitragen, dass sich die Hardliner nicht durchsetzen. Denn das Überleben der Ukraine und möglicherweise auch der ganzen Welt hängt davon ab, ob ein nuklearer Showdown verhindert werden kann. Russland verfügt über fast 6.000 Atomwaffen, schätzungsweise 1.600 davon sind einsatzbereit.

Ein Umdenken ist möglich, die Menschheit war schon mal weiter. In den 1980er-Jahren gab es drei große Visionen für die zusammengewachsene Welt: die UN-Berichte Gemeinsames Überleben (der Nord-Süd-Report von Willy Brandt), Gemeinsame Zukunft (von Gro Harlem Brundtland zu Umwelt, Entwicklung und Nachhaltigkeit) und Gemeinsame Sicherheit (von Olof Palme zu Entspannung, Abrüstung und Rüstungskontrolle).

 Ja, wir müssen wieder zu mehr Gemeinsamkeit, heute insbesondere einer gemeinsamen Sicherheit kommen. Bei Olof Palme hieß es: „Beide Seiten müssen Sicherheit erlangen, nicht vor dem Gegner, sondern gemeinsam mit ihm.“ Die Welt mit ihren globalen Herausforderungen braucht Gemeinsamkeit, um eine gute Zukunft zu haben.

Das bedeutet überhaupt nicht, den russischen Angriffskrieg zu relativieren. Doch ohne politische Visionen sind ein friedliches Europa und eine friedliche Welt nicht möglich. Andernfalls kann die Welt in eine Eskalation der Aufrüstung hineingetrieben werden wie bei den „Schlafwandlern“ von 1914, deren Folge der Erste Weltkrieg war.

Niemand sollte vergessen: Die Fähigkeit, die Menschheit durch Waffen zu vernichten, ist längst bis zur Perfektion entwickelt. Jeder Fehler wäre unverzeihlich.

Wir müssen einen neuen Kalten Krieg vermeiden und uns auf das konzentrieren, was die „ungleiche, störanfällige, verschmutzte und überbevölkerte Welt“ (Brundtland-Bericht) wirklich braucht: Rüstungskontrolle, Abrüstung, Vereinbarungen über Gewaltverzicht und ein gemeinsames Handeln gegen die globalen Bedrohungen wie die Klimakrise oder Knappheit wichtiger Ressourcen.

Doch der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine droht uns in die alte Welt zurückzutreiben, in die Welt des Wettrüstens, in der Hunderte von Milliarden Dollar für Waffen verschwendet werden, deren Einsatz niemand wagen darf.

Trotzdem gehört Russland zu einer friedlichen Welt. Auch wenn sich Wladimir Putin mit dem Krieg ins Abseits gestellt hat, müssen wir mit Russland zu neuer Partnerschaft und Kooperation kommen. Das ist unerlässlich und hat nichts mit Appeasement zu tun, stattdessen aber sehr viel mit Vernunft.

Bei John F. Kennedy hieß es dazu: „Wir sollten niemals aus Angst verhandeln. Aber lasst uns niemals Angst davor haben zu verhandeln.“