Herrliches Panorama aus Nebel und Grau

Bericht: So war der Lehrgang zum*zur Trainer*in C – Bergsteigen in Leutasch (A)

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Es schnarrt am Berg. Das beruhigende Geräusch von Stahlkarabinern auf Drahtseil. Verursacht von uns: neun Anwärter*innen für den Trainer C – Bergsteigen, die sich, frei nach Lehrbuch, durch den Mittenwalder Höhenweg schieben – und das bei bestem Nebel. Die Liebe für Klettersteige ist entfacht. Na ja, nicht wirklich. Das Umhängen und permanente Einklinken sind auf Dauer schon lästig. Clip! Clip! Hurra! Doch später mehr.

Am Samstag, dem ersten Juli, ging es los. Neun Teilnehmende, neun am Bergsport interessierte Seelen, trafen sich mit mehr oder weniger großen Erwartungen im österreichischen Leutasch für den ersten Teil des Ausbildungs- und Prüfungslehrgangs zum*zur Trainer*in C  Bergsteigen. Den theoretischen Teil bereits in der Tasche ist Bergsport unser gemeinsamer Nenner. Fels, klettern, steigen und viel Höhenluft. Erwartungen? Sich überraschen lassen und eine gute Zeit am Fels haben.

Soweit der Plan und einige von uns sollten im Anschluss auch den Kurs „Eis und Urgestein“ dranhängen. Noch wusste niemand, was auf uns zukommen sollte. Der Samstagabend klärte auf, die beiden Mitglieder des Bundeslehrteams Bekki und Erik gaben einen groben Überblick über die kommende Woche. Und schnell wurde allen klar: Das hier war ein Kurs – und kein Urlaub.

Mal sehen, was wir so können

Sonntag ging es früh los und zunächst auf Tuchfühlung. Im Klettergarten wurde unser Können geprüft und die ersten Materialvorträge gehalten. Klettergurt, Bandmaterial, Karabiner & Co. Wir sollten schließlich Ahnung haben, was unsere zukünftigen Teilnehmenden am Fels erwartet.

Geklettert wurde ohne viel Schnickschnack. HMS und Achter waren jedem geläufig. GriGri, Smart und Jule blieben im Rucksack. Und um auf Nummer sicher zu gehen, wurden die wichtigsten Handgriffe nochmal wiederholt. Safety first.

Am Montag folgte bereits die erste Führungstour: der Mittenwalder Höhenweg. Verwundert wurden die ersten Höhenmeter mit der Seilbahn überwunden. Das fühlte sich, mit Blick auf unsere Intention dieser Woche, zunächst recht merkwürdig an. Seilbahn? Echt jetzt?

Dennoch nörgelte niemand beim Verlassen der Gondel. Denn vor uns eröffnete sich ein herrliches Panorama aus Nebel und Grau. Die Blicke geingen zu den drei „Prüflingen“, die diese Tour geplant hatten – inklusive Alternativen und Bonusprogramm. Demokratisch wurde dem einzigen hochmotivierten Gipfelstürmer (gespielt von Erik) der Wind aus den Segeln genommen und wir starteten ohne Umwege in den Klettersteig. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass uns das Klippen die ganze Woche begleiten würde.

Unterbrochen wurde die Tour von der ein oder anderen Übungssituation. Ob das Mobiltelefon allerdings ebenfalls zu Übungszwecken zum Absturz gebracht wurde, wurde von den Führenden bisher weder bestätigt noch dementiert. Letztlich wurde es ohne Verletzungen geborgen.

In wechselnder Verantwortung ging es zunächst über den Höhenweg und dann zurück zur Talstation. Und so ein Abstieg ohne vorherigen Aufstieg ist ja auch ganz schön. Zumal sich die Beine nicht langsam an die Belastung gewöhnen konnten. Und mit zum Teil neuen Schuhen wurde es zu einem Erlebnis der besonderen Art, insbesondere für unsere Oberschenkel.

Mit eher fragwürdigen Motivationsversuchen versuchten die Führenden, die zum Ende der Tour schwindende Laune anzuheben. „Nur noch 20 Höhenmeter bis zum Ziel,“ so die Aussage. Diese 20 Höhenmeter entpuppten sich dann als 120 Höhenmeter. Aber wir sind Bergsteiger, wer will da schon kleinlich sein?

Keile raus, Klassenarbeit

Dienstag und Mittwoch konnten unsere Beine entspannt stehen, denn die beiden Tage standen im Zeichen von Wiederholungen und Lehrproben.

Im Klettergarten wurden Keile, Normalhaken, Friends und allerlei andere mobilen Sicherungsmittel im Fels versenkt und gewissenhaft auf ihre Festigkeit getestet. Teils so gut, dass mancher Felshaken gar nicht mehr rauskommen wollte. Ebenso wie Standplätze an fraglichen Fixpunkten oder gänzlich selbst gebauten Konstruktionen.

Insbesondere das Thema Seilgeländer, das am Dienstag gezeigt und am Mittwoch als Lehrprobe wiederholt wurde, ließ die Herzen höherschlagen. Ein selbst gebauter Klettersteig. Die Freude hielt sich in Grenzen, der Mittenwalder Höhenweg mit seiner Clip-Orgie steckte noch allen in den Händen. Clip! Clip! Hurra!

Die zweite Führungstour

Donnerstag ging es auf weitere Führungstouren. Heute stand Mehrseillängen Klettern auf dem Programm. Die Motivation beim Zustieg zur Dammkarhütte war hoch.  Unser Tempo allerdings auch. Bei einer nicht Anwärter-Gruppe wäre sicher der*die eine oder andere einfach ausgestiegen. Schließlich ging es nicht um Trailrunning, sondern um einen gemütlichen Zustieg, um ausreichend Reserven für die Kletterei zu haben.

Nach einem klaren Hinweis von Erik und Bekki, sowie versuchter Mäßigung beim Tempo, erreichten wir dann die Hütte. Knapp eine halbe Stunde früher als geplant. Das mit der Langsamkeit üben wir nochmal.

An der Hütte teilten wir uns in zwei Gruppen. Team Predigtstuhl mit zwei Dreierseilschaften und Team Kreuzwand mit einer Dreier- und einer Zweierseilschaft. Das wechselhafte Wetter wurde von den beiden Teams dann doch etwas unterschiedlich interpretiert. Während Team Predigtstuhl die wiederkehrenden Schauer als Nicht-Kletterbedingungen einstufte und nur in die erste Seillänge einstieg, entschied sich Team Kreuzwand immer wieder dazu, noch eine Seillänge dranzuhängen, weil es doch nur tröpfelt und eventuell wieder aufklart. So kam Team Kreuzwand bis zum Gipfel, mehr oder weniger trocken, und schaffte es im Laufschritt vor dem Gewitter noch in die schützende Dammkarhütte.

Team Predigtstuhl nutze den Normalweg. Auch schön. Und das Abgleiten im Schotter konnte als Übung eingebaut werden. „Wenn so ein Schotterfeld schon mal da ist, muss man es auch nutzen,“ so Eriks Worte. „Und es ist wesentlich schonender für die Knie.“

Das oben genannte Gewitter genoss Team Predigtstuhl in vollen Zügen auf dem Rückweg zum Parkplatz. Erwähnt sei das aber nur am Rande. Schließlich waren wir an den Fahrzeugen schon fast wieder trocken.

Die spitze Vier

Mit fantastischem Wetter zeigte sich der Freitag. Die letzte Führungstour des Kurses sollte uns auf die Viererspitze bringen. Versprochen wurde ein abenteuerlicher Zustieg, eine schöne Kletterei, ein fulminanter Abstieg und das bei bestem Wetter.

Abenteuerlich war der Zustieg insofern, dass er sich nicht wirklich als solcher zu erkennen geben wollte. Leicht blaue Markierungen führten durch Flora und Fauna, wegloses Gelände und eine ausgewaschene Rinne immer weiter nach oben. Nach gut vier Stunden Zustieg hatten unsere Führenden den Einstieg zur Route gefunden.

Vier Stunden Zustieg für vier Seillängen Kletterspaß. Das Verhältnis lässt sich sicher noch optimieren, doch die Route entlohnte mit griffigem Fels bei besten Bedingungen und der Ausblick von der Viererspitze war den langen Weg definitiv wert. Wir nutzten die Chance, uns im Gipfelbuch zu verewigen. Wer nachschauen will, die Route ist inzwischen auf Komoot verfügbar.

Beim Abstieg trafen wir auf einen alten Bekannten. Ein solide gelegtes Seilgeländer. Endlich wieder klippen, um dann im Dammkar zur Hütte abzugleiten … Nach Erfrischung ging es zurück zum Parkplatz. Eine fantastische Tour bei besten Bedingungen.

Schon vorbei und weiter geht’s

Samstag Vormittags war das ganze Spektakel dann leider schon vorbei. Neun Bergbegeisterte auf ihrem Weg zum*zur Trainer*in C – Bergsteigen konnten auf eine erfolgreiche, lehrreiche, spannende und durchaus lustige Woche zurückschauen.

Nach Abschlussrunde, Feedback und Verabschiedung trennten sich die Wege. Für die einen nach Hause, für die anderen ins Kaunertal, wo Eis und Urgestein auf sie warteten.

Und sicher war es nicht die letzte Begegnung, die Berge rufen weiter. Niemand von uns wird das ungehört ignorieren wollen.

Jens Engel
Trainer C – Bergsteigen

Weitere Bilder

Galerie Bericht Lehrgang Trainer C Bergsteigen 1 2023

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