Mit Sport die Gesellschaft verändern

Warum die NaturFreunde Deutschlands im Natursport ausbilden

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Viele Jahre zeichnete der Deutsche Sportbund (DSB) Vereine aus, die ein vorbildliches Modell der sozialen Hilfe im Sport aufgebaut hatten. Die dabei vergebene „Fritz-Wildung-Plakette“ ging auf einen gleichnamigen NaturFreund zurück, der als einer der einflussreichsten Funktionäre der Arbeitersportbewegung in der Weimarer Republik gilt.

Wildung leitete die „Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege“, in der sich über eine Million Arbeitersportler organisierten, auch die NaturFreunde. Er wollte das Soziale im Sport stärken und kritisierte Rekordsucht und Kommerzialisierung des Sportes. Ein politisch neutraler Arbeitersport war für ihn undenkbar, die Arbeitersportbewegung sollte dem Klassenaufstieg dienen. Auch in den Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten innerhalb des Arbeitersportes spielte er eine aktive Rolle.

Sport als Methode
Detlef Scheele hat in seinem Beitrag für Jochen Zimmers NaturFreunde-Geschichte „Mit uns zieht die neue Zeit“ (1984) analysiert, woher der NaturFreunde-Sport kommt und was der Verband damit bezwecken wollte. In einem wissenschaftlichen Quellenstudium arbeitete er heraus, dass sich der Sport bei den NaturFreunden aus der nach Natur- und Gesellschaftserkenntnis suchenden Touristik entwickelt hatte.

Dabei wurde er nie als Selbstzweck gesehen, sondern immer als Methode auf dem Weg zur Naturerkenntnis. Diese suchte man in der „tätigen Auseinandersetzung“ mit der Natur – also beim Wandern, Bergsteigen und Skilauf, später auch beim Wasserwandern.

NaturFreunde waren fest davon überzeugt, dass neben der theoretischen auch die praktische Beschäftigung mit der Natur den Menschen „reif für eine bessere, sozialistische Gesellschaft“ mache und seine „Tatkraft“ stärke, „um mutige unbeugsame Kämpfer für Menschenrechte“ und eine bessere Gesellschaft zu sein.

Naturerkenntnis oder Bewegungstherapie
NaturFreunde kritisierten das im „bürgerlichen“ Sport verortete Streben nach persönlicher Anerkennung und Auszeichnung, insbesondere nach Individualisierung und Konkurrenz. „Wir lehnen jeden Wettkampf in unserer sportlichen Betätigung ab: Ja wir lehnen ab, das Wandern und Bergsteigen als sportliche Tätigkeit schlechthin bezeichnen zu lassen“, hieß es etwa 1925 in der internationalen NaturFreunde-Zeitschrift. Die Sorge unter NaturFreunden war groß, dass die Touristik durch den Sport zur reinen Bewegungstherapie herabgewürdigt würde, führte Scheele aus.

Fast ein Jahrhundert später erscheint solch ein klassenkämpferisches Sportverständnis vielen Menschen fremd. Auch der DSB-Nachfolger DOSB verleiht die Plakette nicht mehr. Heute ist der Sport bei den NaturFreunden bekannt für sein hochwertiges Ausbildungssystem. Rund 1.300 bei den NaturFreunden lizenzierte und versicherte Trainer haben es durchlaufen und organisieren sportliche Mitmachangebote von der Feierabendwanderung bis zur alpinen Hochtour.

Solidarisch, antirassistisch und nicht ausgrenzend
Auch dieser Sport ist sozial. Er setzt auf Gemeinschaft, günstige Angebote, Ausbildungen zum Selbstkostenpreis, Integration sowie Inklusion. Das NaturFreunde-Sportangebot richtet sich an alle, die gemeinsam einen solidarischen, antirassistischen und nicht ausgrenzenden Sport betreiben wollen.

Die Suche nach Erkenntnis in der „tätigen Auseinandersetzung“ mit der Natur und der gesellschaftspolitischen Umgebung findet man ebenfalls noch bei den NaturFreunden, etwa beim „Sozialen Wandern“ oder der „Sozialen Pedale“. Diese Aktivitäten untersuchen die Lebensverhältnisse der Menschen und sollen zu einem „gesellschaftlichen Schauen“ führen.

Die NaturFreunde vertreten auch heute den Anspruch, mehr als ein hochwertiger Ausbildungsbetrieb und Anbieter von sozialem Breitensport zu sein. Stellungnahmen heben etwa das Verhältnis zwischen Sport und Naturschutz hervor, kritisieren die immer weiter zunehmende Kommerzialisierung im Spitzensport oder weisen auf Menschenrechtsverletzungen, Korruption und ökologische Schäden bei sportlichen Großveranstaltungen hin. Deshalb haben sich die NaturFreunde Deutschlands auch gegen die letzten deutschen Olympiabewerbungen positioniert.

Sport als Markenzeichen
Im Jahr 2008 verabschiedete der NaturFreunde-Bundeskongress den Beschluss „Wir bewegen – für ein solidarisches und emanzipatorisches Sportverständnis“. Dieser forderte ein sportpolitisches Leitbild, in das die Aspekte Gesundheit, Körper, Nachhaltigkeit, Geschlecht, soziale Ungleichheit, Konkurrenz und Rassismus einfließen sollen.

2014 bestätigte der Bundeskongress mit dem Beschluss „Natursport zum Markenzeichen der NaturFreunde auf allen Ebenen entwickeln“ die nachhaltige Natursportausübung als wichtigen Verbandszweck. Betont wurde zudem, dass NaturFreunde neben fachlicher Ausbildung auch Lebenssinn und politische Orientierung bieten. Man spreche den ganzen Menschen an.

Mitte November 2017 hat sich der Bundesausschuss erneut mit der Entwicklung des NaturFreunde-Sports beschäftigt. Der soll weiter gestärkt und als Sport des politischen Freizeitverbandes NaturFreunde profiliert werden.

Das ist wichtiger denn je in einer immer stärker durchkapitalisierten und unsozialer werdenden Gesellschaft. NaturFreunde wollen den Sport mit einem kritischen gesellschaftstheoretischen Bewusstsein verknüpfen und so ein modernes Sportverständnis in der Traditionslinie des Arbeitersports gesellschaftlich verankern.

Janeta Mileva
Samuel Lehmberg