„Die Lage sieht nicht gut aus“

Wie Naturfreundehäuser in Europa von der Coronakrise getroffen wurden

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Die Coronakrise hat die NaturFreunde-Arbeit in Deutschland stark beeinträchtigt: Vereinstätigkeiten waren behördlich untersagt, ebenso touristische Angebote, auch der gastronomische Betrieb. Besonders die Naturfreundehäuser litten darunter – und eine Besserung ist nicht wirklich in Sicht. Han Verschuur, im niederländischen NaturFreunde-Vorstand für Internationalisierung zuständig, hat recherchiert, wie sich die Coronakrise in europäischen Nachbarländern auswirkt. Sein Bericht zeigt, wie unterschiedlich die Folgen sind. Während es zum Beispiel in Österreich umfangreiche Corona-Förderungen gibt, müssen die Naturfreundehäuser in der Schweiz ohne auskommen. Und während die italienischen NaturFreunde ein Viertel ihrer Mitglieder in der Pandemie verloren haben, verzeichnen die niederländischen NaturFreunde einen Zuwachs. Doch lies Hans Bericht am besten selbst.

Österreich

In Österreich mussten sämtliche der rund 160 Naturfreundehäuser während des Corona-Lockdowns schließen, berichtete mir Regina Hrbek, die auf Bundesebene für das Hüttenmanagement zuständig ist. Von Pächter*innen bewirtschaftete Naturfreundehäuser habe das allerdings nicht so hart getroffen. Denn diese öffnen meist nur in einer verlängerten Sommersaison und die war coronabedingt in den Jahren 2020 und 2021 „nur“ einen Monat kürzer. Während die Anzahl der Tagesgäste im Durchschnitt sogar gestiegen sei, seien die Übernachtungszahlen jedoch um etwa 30 Prozent eingebrochen, so Hrbek.

Staatliche Corona-Hilfen helfen. Zum Beispiel profitieren Non-Profit-Organisationen in Österreich von einem nicht rückzahlbaren Lockdown-Zuschuss zur Deckung von Fixkosten. Dazu kann noch ein Struktursicherungsbeitrag beantragt werden in Höhe von sieben Prozent der üblichen Jahreseinnahmen, gedacht zum Beispiel für Wartungskosten. Eine zusätzliche Corona-Kurzarbeitregelung für Angestellte spart noch Personalkosten ein. Zudem werden Investitionen in Naturfreundehäuser mit bis zu 14 Prozent unterstützt. Und für selbstständige Hüttenwirte gibt es einen Härtefallfonds, der maximal 2.000 Euro pro Monat auszahlt sowie Fixkostenzuschüsse zur Liquiditätssicherung und steuerliche Erleichterungen. Und die Umsatzsteuer auf Speisen und Getränke wurde im Rahmen eines „Wirtshauspaketes“ auf fünf Prozent gesenkt.

Allerdings nähmen viele Wandernde nun wieder eine eigene Brotzeit mit und kehrten nicht mehr so häufig ein, berichtete Regina Hrbek. Das hänge wohl damit zusammen, dass nur getestete, geimpfte oder genesene Personen Zutritt zu gastronomischen Einrichtungen haben. Das halte einige Gäste von einer Einkehr ab. Für Übernachtungen in Naturfreundehäusern müsse man nun zudem reservieren sowie eigene Bezüge mitbringen, bei Mehrtagesaufenthalten auch eigene Corona-Tests.

Schweiz

Ein anderes Bild ergibt sich für die Schweiz: Während dort die meisten touristischen Betriebe in der Pandemie nie vollständig schließen mussten, war die Situation für viele Naturfreundehäuser eine grundsätzlich andere. Denn Schweizer Gruppenhäuser – dieser Haustyp dominiert bei den eidgenössischen NaturFreunden – durften lange Zeit nicht öffnen, später waren nur Buchungen von fünf Personen erlaubt. Deshalb hätten viele Naturfreundehäuser erhebliche Umsatzverluste erlitten, beklagte Philippe Pellaton aus dem Vorstand der NaturFreunde Schweiz.

Auch wenn Naturfreundehäuser mit Außengastronomie profitieren konnten – manche hätten noch nie so viele Wandernde bewirtet wie während der Pandemie – dominierten die Verluste, die in Einzelfällen enorm seien und sogar die Kontinuität einzelner Naturfreundehäuser gefährdeten, so Pellaton. Bisher habe kein Haus verkauft werden müssen, „die Lage sieht allerdings nicht gut aus“.

Denn während es für gewerbliche Übernachtungsbetriebe staatliche Corona-Unterstützung gab, gingen die größtenteils ehrenamtlich geführten Schweizer Naturfreundehäuser leer aus. Mitte letzten Jahres mussten 23 Häuser Unterstützung beim Bundesverband der NaturFreunde Schweiz beantragen. Staatshilfen gab es nur für im Handelsregister eingetragene Häuser, was auf sehr wenige der rund 80 NaturFreunde-Objekte zutrifft. Und auch dort gibt es bürokratische Hürden: Anträge sind beim Kanton zu stellen, in dem das Haus seinen Sitz hat. Stammt die besitzende Ortsgruppe aus einem anderen Kanton, wird es sehr schwierig. Bankkredite scheinen in vielen Fällen dann die einzige Option zu sein.

Großbritannien

Die Situation der Naturfreundehäuser in Großbritannien – sechs gibt es momentan – soll am Beispiel des Hauses Kirk Yetholm an der englisch-schottischen Grenze skizziert werden. Hausleiter Simon Neal, der auch als Sekretär der Friends of Nature UK fungiert, erzählte von einem schwierigen Jahr 2020, in dem nur zwischen Juli und Oktober geöffnet werden konnte, weil sich die obligatorisch 1,5-Meter-Abstandsregel in den Gemeinschaftsräumen nicht umsetzen ließ. Zudem mussten die Mehrbettzimmer im Zweifel als Einzelzimmer vermietet werden, denn Fremde durften sich kein Zimmer mehr teilen. Genau darauf aber basiere das günstige Preismodell des Naturfreundehauses, so Neal.

Über den Verband der schottischen Hostels erhielt das Naturfreundehaus Kirk Yetholm staatliche Corona-Förderungen: im Jahr 2020 Soforthilfen in Höhe von 10.000 sowie 25.000 Pfund, 2021 nochmals 15.000 Pfund. Zusätzlich wurden monatlich 2.000 Pfund ausgezahlt, zudem wurden 80 Prozent der Gehaltskosten übernommen. Im Oktober allerdings endet die finanzielle Unterstützung. „Es ist fraglich, wie es dann weiter geht“, sorgt sich Neal. „Es gibt wieder ausreichend Buchungen, allerdings nur für ungeteilte Zimmer. Auf dieser Basis dürfte die wirtschaftliche Führung der britischen Naturfreundehäuser problematisch werden“, prognostiziert Simon Neal.

Italien

In Italien habe sich die Situation der Naturfreundehäuser durch Corona nicht dramatisch verändert, berichtete Christian Facchetti, Vorsitzender der NaturFreunde Italien. Die sieben italienischen Naturfreundehäuser – es gibt noch zwei Partner-Häuser sowie einen -Zeltplatz – werden bis auf zwei Ausnahmen ehrenamtlich geführt. Und die hauptamtlichen Arbeitskosten waren während der Lockdowns staatlich gefördert worden. So gebe es zwar einen Umsatzrückgang, sagte Facchetti, der aber verkraftbar sei.

Die Belegung der Häuser konzentriert sich auf die Sommermonate, wo die Restriktionen nicht so hoch waren. Problematisch war die Situation allerdings um das Naturfreundehaus in Saviore, nordöstlich von Bergamo. Die Region wurde schwer von der Pandemie getroffen, das Haus war durchgehend geschlossen. Stornierungen gab es an vielen Orten, aber grundsätzlich gebe es keine Probleme, so Facchetti. Es müssten keine Naturfreundehäuser aufgegeben werden. Er verweist allerdings auf einen anderen negativen Effekt: Da die NaturFreunde-Mitgliedschaft in Italien traditionell stark mit dem Besuch der Häuser verbunden sei, hätten die italienischen NaturFreunde im Jahr 2020 mehr als ein Viertel ihrer vormals gut 1.000 Mitglieder verloren.

Niederlande

In den Niederlanden sind die Naturfreundehäuser bisher vergleichsweise gut durch die Coronakrise gekommen. Zum einen waren die Beschränkungen weniger zwingend: Wo anderswo touristische Übernachtungen verboten waren, blieb es in den Niederlanden den Beherbergungsbetrieben überlassen, ob sie Unterkünfte anbieten wollten. Allerdings durften die Naturfreundehäuser nicht als Gruppenunterkunft vermietet werden. Auf dem Höhepunkt der Pandemie wurden sie dann doch vom Zentralvorstand für kurze Zeit geschlossen.

Man muss wissen, dass sich das Organisationsmodell des niederländischen NaturFreunde-Verbandes von anderen nationalen Verbänden unterscheidet: Alle 13 Häuser und fünf Campingplätze sind in einer zentralen Stiftung untergebracht. Sie werden von ehrenamtlichen Teams betreut, während zentrale administrative und finanzielle Aufgaben von der Bundesgeschäftsstelle in Amsterdam übernommen werden. Zu Beginn der Pandemie hatte der Zentralvorstand ein nationales Corona-Krisenteam zusammengestellt, das die staatlichen Vorgaben in einen Maßnahmenkatalog umsetzten sollte. Für die zusätzlichen Hygienemaßnahmen wurde zudem ein Zuschlag auf den Übernachtungspreis erhoben. Auch stellte das Team sicher, dass zentral kommunizierte Vorgaben lokal umgesetzt wurden, um Zwangsschließungen zu vermeiden.

Natürlich ging auch in den Niederlanden der Umsatz zurück. Allerdings war die Häuserstiftung immer liquide. Zudem gleicht die niederländische Regierung bei Umsatzrückgängen die Fixkosten aus. Und dann gab es sogar noch einen großen Mitgliederzuwachs während der Pandemie, was die niederländischen NaturFreunde natürlich besonders freut.

Han Verschuur
Vorstand der NaturFreunde Niederlande (NIVON), zuständig für Internationales