Für einen gerechten Welthandel: CETA stoppen!

Argumentationspapier zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada

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Was ist CETA?

Die Abkürzung CETA steht für das Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Kanada, das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“. Bei CETA handelt es sich um ein Abkommen „neuen Typs“, das anders als bisherige Handelsverträge in demokratische Gesetzgebungsprozesse eingreifen und damit Handlungsspielräume für die gewählten demokratischen Parlamente einschränken wird. Mit dem Freihandelsabkommen sollen die Interessen der großen transnationalen Konzerne weiter gestärkt werden. Soziale Gerechtigkeit, Klima- und Verbraucher_innenschutz sowie die Interessen der Arbeitnehmer_innen bleiben bei diesem Abkommen auf der Strecke. Wie die NaturFreunde lehnt deshalb unter anderem auch der Deutsche Gewerkschaftsbund das Freihandelsabkommen ab.

Kann CETA noch verhindert werden?

Der Freihandelsvertrag zwischen der EU und Kanada wurde seit 2009 unter strenger Geheimhaltung verhandelt. Im Vorfeld der Zustimmung durch das Europäische Parlament im Februar 2017 wurde der fertig ausgehandelte Vertrag dann offiziell veröffentlicht. Den Mitgliedern des Europäischen Parlamentes blieben nur wenige Wochen Zeit, um sich mit dem komplizierten Vertrag zu beschäftigen. Der CETA-Vertrag umfasst 454 Seiten, darüber hinaus gehören zu dem Abkommen Anhänge mit fast 1.800 Seiten Umfang.

Am 15. Februar 2017 hat das Europäische Parlament dem CETA-Abkommen zugestimmt, nachdem es bereits am 30. Oktober 2016 im Rahmen des EU-Kanada-Gipfels unterzeichnet worden war. Seit September 2017 wird CETA europaweit in wesentlichen Teilen vorläufig angewandt. Im vollen Umfang tritt das Abkommen aber erst in Kraft, wenn die nationalen Parlamente aller 28 Mitgliedstaaten das Abkommen ratifiziert haben, in einer Reihe von Mitgliedstaaten müssen zusätzlich auch die regionalen Parlamente zustimmen.

Ratifizierung in Deutschland

Auch in Deutschland muss CETA noch ratifiziert werden. Weil das Abkommen in die Bundesgesetzgebung eingreift, muss neben dem Bundestag auch der Bundesrat abstimmen.

Bundestag

Im Deutschen Bundestag wird CETA von der Regierungskoalition aus CDU/CSU (246 Sitze) und SPD (153 Sitze) positiv gesehen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu:

„Im europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA sind zukunftsweisende Regelungen für den Schutz von Umwelt und Gesundheit, Arbeitnehmerrechten, öffentlicher Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsschutz vereinbart worden. Dies muss auch für künftige Handelsabkommen gelten. Wir wollen in Deutschland die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das CETA-Abkommen umfassend in Kraft treten kann.“

Auch die Fraktion der FDP (80 Sitze) hat sich für CETA ausgesprochen. Lediglich die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE (zusammen 136 Sitze) unterstützen die Forderung der NaturFreunde, das Freihandelsabkommen CETA abzulehnen. Deshalb wird es in den nächsten Monaten darum gehen, mit Abgeordneten der SPD ins Gespräch zu kommen und für eine Ablehnung von CETA zu werben. Auch in der CDU/CSU gibt es Vertreter_innen von kleinen und mittelständischen Unternehmen oder kleinbäuerlicher Landwirtschaft, die von einer Ablehnung überzeugt werden können.

Bundesrat

Um eine Zustimmung zu CETA im Bundesrat zu erreichen, müssen bei der Gesamtanzahl von 69 Stimmen für die absolute Mehrheit 35 Ja-Stimmen abgegeben werden. Die Landesregierungen, in denen ausschließlich die CDU, CSU, SPD oder FDP miteinander regieren, kommen lediglich auf 28 Stimmen. Die Bundesländer, in denen Bündnis 90/Die Grünen mitregieren, haben zusammen 37 Stimmen, in Bundesländern, in denen DIE LINKE mitregiert, sind 12 Stimmen vereint. Beide Parteien haben die Proteste gegen CETA aktiv unterstützt. Nun erwarten die NaturFreunde, dass diese Parteien in den jeweiligen Landesregierungen zu ihren eigenen Aussagen stehen und CETA im Bundesrat ablehnen oder zumindest eine Enthaltung durchsetzen.

Bundesverfassungsgericht

Dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe liegen mehrere Verfassungsbeschwerden und ein Organstreitverfahren der Fraktion DIE LINKE vor. Allein die Verfassungsbeschwerde „Nein zu CETA“ wurde von mehr als 125.000 Menschen unterstützt. Bereits im Januar 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht betont, dass „die EU-Verträge einer einseitigen Kündigung von CETA durch einen Mitgliedstaat nicht im Wege stehen“. Deutschland kann also die vorläufige Anwendung beenden, falls die Ratifikation in Deutschland scheitert. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird Ende 2018 erwartet.

EU-Mitgliedstaaten mit ablehnender Haltung

Obwohl der Nationalrat in Österreich das CETA-Abkommen mit Mehrheit akzeptierte, hat der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen angekündigt, das Abkommen vorerst nicht zu unterschreiben und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten, ob der Vertrag mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Dem Europäischen Gerichtshof liegt derzeit ein von Belgien initiiertes Verfahren vor, „das die in CETA enthaltenen Schiedsgerichte prüft“.

Auch die neue italienische Regierung hat angekündigt, CETA nicht zu ratifizieren, da „traditionelle italienische Produkte […] nicht ausreichend geschützt“ würden. Hier dürfen wir uns jedoch nicht täuschen lassen: Die Regierung in Italien will keinen gerechten Welthandel durchsetzen, sondern handelt ähnlich wir Trump nach dem Motto „Prima gli italiani - Italiener zuerst!“.

Warum lehnen die NaturFreunde CETA ab?

Abbau der Demokratie: Die NaturFreunde wehren sich gegen die immer weiter fortschreitende Ökonomisierung der Gesellschaft. Für die Verwirklichung der Interessen von international agierenden Großunternehmen wird hingenommen, dass die Rechte der Parlamente und der Gerichte immer weiter eingeschränkt werden.

Geheimverhandlungen untergraben Demokratie: Mehrere Jahre wurden die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen CETA in Geheimverhandlungen geführt. Nur wenn es engagierten Initiativen gelang, einzelne Dokumente zu erhalten und diese zu veröffentlichen, wurde es möglich, sich über den Verhandlungsstand zu informieren.

Internationale Schiedsgerichte schränken demokratische Gerichtsbarkeit ein: Mit der Schaffung von internationalen Schiedsgerichten wird die demokratische Gewaltenteilung zwischen Parlament, Regierung und Gerichten untergraben, die Gerichtsbarkeit wird ausgehebelt und nationale Gesetze werden unterlaufen. Nicht mehr die demokratisch legitimierten Gerichte der Staaten sollen in Zukunft über mögliche Regelverletzungen entscheiden, sondern private und/oder internationale Schiedsgerichtshöfe, die in Geheimverhandlungen über enorme Schadenersatzforderungen der transnationalen Konzerne gegen die verklagten Staaten entscheiden.

Regulatorische Kooperation behindert demokratische Willensbildung: Durch die Regulatorische Kooperation werden internationale Konzerne in die Lage versetzt, bereits im Vorfeld von parlamentarischen Beratungen auf die Regierungen Druck auszuüben, um unliebsame Vorhaben der Parlamente zu verhindern. Die regulatorische Kooperation wird dazu führen, dass große Unternehmen noch mehr als bisher an neuen Gesetzen mitwirken werden und ihre Forderungen durchsetzen können. Arbeitnehmer_innenschutzrechte, Umwelt- und Verbraucher_innenschutz bleiben so auf der Strecke.

Vorsorgeprinzip wird ausgehebelt: Das Vorsorgeprinzip wurde bei CETA nicht hinreichend abgesichert. Dabei handelt es sich um eines der Kernelemente zur Sicherstellung von höheren Umwelt- und Verbraucher_innenstandards und dem Schutz von Gesundheit und Umwelt in der EU. In den nächsten Jahren besteht die Gefahr, dass über Jahrzehnte erkämpfte Umwelt- und Verbraucher_innenschutzrechte aufgrund der neuen Verträge infrage gestellt und unter dem zunehmenden Wettbewerbsdruck der internationalen Konkurrenz abgebaut werden. Die Durchsetzung verbesserter Standards wird dadurch noch weiter erschwert.

Gentechnik und Fracking können leichter durchgesetzt werden: Aufgrund des Zusammenspieles von internationalen Schiedsgerichten, gegenseitiger Anerkennung von Standards, fehlender Vorschriften für Kennzeichnungspflicht von Produkten und der fehlenden Festschreibung des Vorsorgeprinzips als festem Grundbestandteil für die Zulassung neuer Produkte können risikoreiche Technologien wie gentechnisch veränderte Lebensmittel oder Fracking in den Staaten der EU einfacher durchgesetzt werden. Es drohen Klagen von internationalen Konzernen, wenn sich einzelne nationale Regierungen weigern, diese Technologien zuzulassen. Das Importverbot der EU für klimaschädliche Öle aus den kanadischen Teersanden wurde im Rahmen der CETA-Verhandlungen bereits deutlich aufgeweicht.

Bäuerliche Landwirtschaft wird durch Agrarkonzerne bedroht: Durch die weitere Liberalisierung der Agrarmärkte und die Öffnung der Märkte für die großen Agrarkonzerne wird die bäuerliche Landwirtschaft noch weiter unter Druck gesetzt und das Überleben der Bäuerinnen und Bauern existenziell gefährdet. CETA wird als Einfallstor für die Gentechnik in der Landwirtschaft dienen und damit den Ausbau einer naturverträglichen, ökologischen Landwirtschaft weiter erschweren.

Kommunale Handlungsspielräume werden eingeschränkt: CETA wird die neoliberale Offensive zur Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge weiter antreiben. CETA beinhaltet auch die Liberalisierung vieler Dienstleistungen und ganz bewusst nur eine Negativliste mit Ausnahmen vom Liberalisierungsgebot. Es wird in Zukunft für Kommunen noch schwieriger, bereits deregulierte und privatisierte kommunale Dienstleistungen wieder in öffentliches Eigentum zurückzuführen. Durch sogenannte „Stillhalte“- und „Sperrklinken“-Klauseln wird eine Rekommunalisierung nahezu unmöglich. Auch werden die Planungs- und Regelungsrechte der Kommunen eingeschränkt, zum Beispiel bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach sozialen und ökologischen Kriterien.

Erkämpfte Arbeitnehmer_innenstandards werden bedroht: Durch den zunehmenden internationalen Wettbewerb werden erkämpfte Sozial- und Arbeitnehmer_innenstandards noch mehr unter Druck stehen. Betriebsräte und Gewerkschaften werden mit ihren Forderungen nach einer Verbesserung bestehender Regeln noch weiter in die Defensive kommen.

Dies sind nur einige Beispiele für die negativen Auswirkungen, die mit CETA zu erwarten sind. Deshalb lehnen die NaturFreunde CETA ab. Ihre Position zu den geplanten Freihandelsabkommen haben die NaturFreunde auf dem Bundeskongress der NaturFreunde im März 2017 beschlossen, nachzulesen in dem Beschluss „Freihandelsabkommen stoppen – für eine gerechte Weltwirtschaft“:

„Die NaturFreunde Deutschlands treten für eine nachhaltige Entwicklung als Alternative zu TTIP, CETA und TiSA ein. Die NaturFreunde wollen mithelfen, die marktkonforme Weltordnung zu beenden und in eine sozialökologische Transformation hin zu einer solidarischen und fairen Weltordnung einzutreten. Die geplanten Freihandelsabkommen bleiben dagegen in der Ideologie des Neoliberalismus, die seit den 1980er Jahren die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen Markt und Demokratie verschiebt, verhaftet.“

Der Beschluss zeigt, dass die NaturFreunde nicht grundsätzlich gegen Welthandel sind, sondern sich für eine „nachhaltige Entwicklung als Alternative zu TTIP, CETA und TiSA“ einsetzen.

Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands

David Geier, Beauftragter für Freihandelspolitik der NaturFreunde Deutschlands